von Rhein-Naturist » So 11. Aug 2024, 21:32
Hallo Gemeinde,
mit meinen insgesamt 8 Wochen Erfahrungen von 2022, 2023 und 2024 will ich auch mal was dazu schreiben und damit teils zustimmen, teils widersprechen.
Ich wurde ja selbst schon von vielen all zu positiven Berichten zu den verschiedensten FKK-Angeboten gelockt. Vor Ort haben sich meine Erfahrungen dann mit meinen Erwartungen eigentlich nie gedeckt. Das soll nicht heißen, dass die Berichte hier frei erfunden sind. Vielmehr gibt es hier im Forum (bei den organisierten Nackten) wohl eher die „Extremfälle“, die auch zu Hause immer nackt leben, die alleine draußen nackt wandern und die eben auch kein Problem damit haben, alleine unter hunderten Angezogenen zu sein. Ich zähle mich mehr oder minder auch dazu.
Im Euronat wird man (wie auf anderen FKK-Plätzen auch) aber eher auf Leute treffen, die einfach gerne nackt baden. Bei zwei Eltern mit zwei Kindern kann es auch mal nur einer sein, der überhaupt gerne nackt ist. Und so haben wir dann mal eben verschwindend geringe Nacktquoten (s.u.).
Ich weiß nicht, wie es früher war, aber ich vermute eine Entwicklung hin zu mehr Bekleidung. Auf Plakaten sieht man noch nackte Menschen und man liest den alten Wahlspruch „Sie befinden sich auf einem Naturistengelände. Bewegen Sie sich nackt!“ In der aktuellen Ausgabe der Euronat-Broschüre wurde das schon geändert zu „Sie befinden sich in einem naturisten Gebiet, wo Sie nackt leben dürfen!“ (sic).
Laut offizieller FKK-Charta gilt: „Die Nacktheit ist einzuhalten wann immer das Wetter es erlaubt. […] Dabei sollte der gesunde Menschenverstand vorrangig bleiben.“ De facto haben wir hier also einen Clothing-Optional-Platz. Es wird jeder jederzeit damit argumentieren (können), dass ihm das Wetter gerade nicht passt.
Und so sehen dann auch meine Beobachtungen aus: Die Nacktquote liegt tagesabhängig zwischen 0,1% und 50%. Vor 10 Uhr und nach 17 Uhr trifft man nur vereinzelt auf Nackte, nach 20 Uhr war ich immer der einzige. An einem wirklich unerträglich brüllend-heißen Mittag habe ich letztes und dieses Jahr mal bewusst einen Blick ins Zentrum geworfen: Letztes Jahr waren es exakt null Nackte, dieses Jahr ein älteres Paar. Interessante Auswüchse sind neben oben ohne auch unten ohne und (ganz extrem im konkurrierenden CHM) Pareos auch bei Männern. Am Strand sind wohl die meisten Nackt. Ausnahmen bilden einige aus der Altersklasse 10-30 Jahre.
Zum Vergleich: Ich war bei meinen Aufenthalten in den Monaten von Juni bis August auf dem Platz nicht eine Minute bekleidet, wenn ich nicht gerade den Platz verlassen habe. Und ich bin Zelter und kann mich nicht in ein warmes Haus retten wie die (leider) meisten Besucher und muss auch nachts um 3 Uhr bei jedem Wetter . Es ist also durchaus möglich, ohne Kleidung im Gepäck anzureisen.
Die Sportarten sind fast alle nackt möglich, aber gerade das wird fast nicht ausgenutzt. Welche Sportarten (Animation) angeboten werden, kann man dem Flyer entnehmen. Früher habe ich den online gefunden. Dieses Jahr irgendwie nicht. Folgende Sportarten gibt es so ganz grob – wo ich dabei war, kann ich auch die „Nacktzahlen“ nennen (und ja, der eine war dann immer ich): Tanzen, Yoga (1-3 Nackte), Laufen (1 Nackter), Badminton, Tischtennis, Beach-Fußball, Beach-Volleyball (ca. 5 Nackte), Bogenschießen (da eigener Platz und Nacktpflicht fast alle nackt), Strandfitness (1-3 Nackte). Es ist auch etwas kompliziert. Je nach Woche findet etwas anderes statt. Vor Juli fast nichts. In der ersten Juli-Hälfte einiges. Richtig los geht es erst danach. Das muss mit den französischen Schulferien zu tun haben. Wenn es einem wichtig ist, muss man seine Urlaubszeit danach ausrichten. Man sollte auch beachten, dass die Animationen sehr stark auf französische Gäste ausgerichtet sind. Versteht man kein Französisch, kann es teils schwer werden. Dort trifft man (deswegen?) auch seltener auf deutsche Gäste.
Beim diesjährigen Euronat-Lauf im Juli gab es übrigens 3 Nackte. Und zwei trugen nur Badehose (und haben die Plätze 1 und 2 belegt). Wegen der Temperatur kann es wohl nicht gewesen sein. Wahrscheinlich hatten sie Angst, da könnte was abfallen. Ich glaube, alle Nacktläufer können bestätigen, das passiert nicht. Aber auch alle Läufer, die unorganisiert durchs Camp gelaufen sind, waren durchweg bekleidet.
Beim Tennis habe ich erst einmal eine Person (ich meine, eine Frau) nackt gesehen. Eher werden dort die schicken Tennis-Klamotten vorgeführt. Mit Reiten kenne ich mich nicht aus, aber ich meine mich an meine früheren Recherchen erinnern zu können, wonach das früher nackt möglich war, heute aber nicht mehr. Im Schwimmbad besteht tatsächlich auch eine Nacktpflicht und auch die Bademeister sind oft nackt. Beim Verlassen des Schwimmbads wird dann schnell wieder alles verhüllt, was niemand sehen soll. Nackt beim Einkaufen ist möglich und wird wohl von 20-30% der Leute so gehandhabt. Wegen der Preise sind die Läden nichts für mich. Daher bin ich da nur einmal durch.
Soweit habe ich versucht alles möglichst objektiv zu beschreiben. Jetzt meine persönliche Wahrnehmung. Als Nackter fühlt man sich permanent angestarrt: Beim Frühstück vorm Zelt, beim Gehen durchs Camp, beim Laufen durchs Camp, beim Abendessen im Restaurant, beim Abendessen vorm Zelt. Ja, man ist dabei oft der Einzige und wird auch gerne zum Gesprächsthema der Passanten. Das Getuschel und Gekicher sind einfach unschön. Und ja, „nu“ verstehe ich gerade noch. Von Jugendlichen wurde ich im Dunkeln mal gefragt „Bist du nackt???“ oder „Geht’s dir gut?“. Mit einem Jugendlichen habe ich mich mal unterhalten. Er selbst war immer bekleidet (als „Sonnenschutz“ auf Geheiß seiner Eltern), aber er hat von zu Hause auch mitbekommen, dass es sich nicht gehört, nackt ins Restaurant zu gehen. Da prallen dann je nach dem Welten aufeinander. Wie ich schon gemutmaßt habe, werden die Gäste eben hauptsächlich Nacktbader und keine Naturisten sein.
Und noch was zu den Jugendlichen auf dem Platz. Das wird ja hier immer kontrovers diskutiert, ob man bei ihnen bzgl. „Nacktpflicht“ ein Auge zudrücken sollte. Früher war ich eher dafür. Nach meinen Erfahrungen aus dem Euronat muss ich mich ganz klar dagegen aussprechen. Es handelt sich nicht mal hier mal da um ein Kind in Begleitung seiner Eltern, was halt mal mit in den Urlaub geschleppt wurde, und dann vielleicht an den Naturismus herangeführt wird. Nein, wir reden hier von großen Gruppen zusammen herumlungernder bekleideter, teils aufgetakelter, Jugendlicher (oder auch junger Erwachsener), die ohne jegliche Aufsicht machen was sie wollen (z.B. nächtliche Ruhestörung, Müll liegen lassen und dergleichen). Ich erinnere mich auch noch gut an die Dreiergruppe „Bruder“, „Digger“ und „Alder“, die letztes Jahr in der Nähe meines Zeltes ihren (Spät-)Abend verbracht hat.
Mit Naturismus hat all das nichts zu tun. Und meine Toleranz ist auch endlich. Ich gehe davon aus, die meisten würden sich in Gegenwart solcher Gestalten nackt unwohl fühlen und sich vielleicht auch deshalb bekleiden, obwohl sie sonst gerne nackt leben würden. Ich ertrage das irgendwie und werde auch wiederkommen, weil es der größte Platz seiner Art ist und ich mich sonst nirgends trauen würde, mich so viel nackt zu bewegen, aber ein „Paradies auf Erden“ ist es wegen der anderen Gäste einfach nicht.
Mein Fazit an die Fragestellerin lautet: Wenn du dir alleine nackt schnell doof vorkommst, kann es im Euronat schwierig werden.