Kollision von Moralverhalten Nacktheit betreffend
(Es geht um die rechtlich erlaubte, sozialadäquate Nacktheit
im öffentlichen Raum, im Weiteren als „redliche Nacktheit“ bezeichnet.)
Ich habe immer wieder gehört und gelesen, dass Freunde der redlichen Nacktheit und insbesondere die sogenannten FKKler betonen, dass sie mit ihrer redlichen Nacktheit gar niemanden belästigen wollen. Neben dem An-spruch auf diese Nacktheit gäbe es auch den Anspruch, Nackte in der Öf-fentlichkeit nicht sehen zu müssen. Das regt wie folgt zum Nachdenken an. Dass die eigene Nacktheit in der Öffentlichkeit überhaupt Andere belästi-gen könnte, sollte aus Erfahrung nicht bestritten werden. Die Ursache einer solchen Eigenart soll hier nicht Gegenstand von Erörterungen sein. Aber die Meinung, dass jeder sein eigenes Verhalten an den Vorstellungen bzw. den Eigenarten Anderer zu orientieren hat, ist abwegig.
a. Wie stellt man es bei dem Anspruch, gar niemanden belästigen zu wol-len an, diejenigen unter den vielen, die sich in der Öffentlichkeit be-wegen, auszumachen, die sich ggf. durch redliche Nacktheit belästigt fühlen könnten? Mir scheint es als eine Unmöglichkeit. Die angedach-ten Personen, wenn es sie gibt, sind auf keinen Fall gesondert gekenn-zeichnet und erfahrungsgemäß gibt es von diesen sehr wenige. Ich weiß, wovon ich schreibe. Was ist nun die notwendige Handlungsweise dieser Besorgten, die Belästigung mit der eigenen Nacktheit Anderer vermeiden wollen? Es gibt keine; es sei denn, die Freunde der redli-chen Nacktheit und insbesondere die sogenannten FKKler verzichten auf ihre eigene Nacktheit im Öffentlichen Raum, um ggf. Belästigun-gen zu vermeiden. Den sogenannten FKKlern bleibt noch die Möglich-keit des Versteckens der Nacktheit hinter den Thujahecken der Ver-einsghettos. Es ist ein hohles Bekenntnis, die fraglichen Belästigungen vermeiden zu wollen, wenn man sich gleichzeitig nackt in der Öffent-lichkeit bewegt. Die scheinheilig Besorgten sehen ggf. die Lösung der selbstgeschaffenen Problematik in einer Nacktheit „immer dort, wo du nicht damit rechnen musst, dass dich viele sehen“ (zitiert aus der Website GNG; aber auch die Haltung vieler Anderer). Und da wird dann übersehen, dass auch unter Wenigen „Nacktenhasser“ sein könn-ten und zum Anderen reduziert sich das Areal für redliche Nacktheit ganz erheblich. Eine sehr abwegige Idee dieser scheinheilig Besorg-ten. Aber keine Überraschung! Albert Einstein schrieb:
„Die Majorität der Dummen ist unüberwindbar und für alle Zeiten gesichert. Der Schrecken ihrer Tyrannei ist indessen gemildert durch Mangel an Konsequenz.
b. Wenn es nun keine geeignete Handlungsweise gibt, eine solche ge-dachte Belästigung zu vermeiden, ist man mit dieser Überlegung bei der Lebenswirklichkeit, dass es ganz allgemein kein belästigungsfrei-es Leben gibt. Belästigungen als Handlungen Anderer muss jeder hin-nehmen und erfährt diese immer wieder, wenn es sich bei den fragli-chen Handlungen nicht um Rechtswidriges sondern um Lebensarten handelt, die von unterschiedlichem Moralverhalten (im rechtlichen Rahmen) bestimmt sind. Redliche Nacktheit ist erlaubt und wer sich eine solche Moral zu Eigen macht, darf Toleranz als Pflicht anders ge-arteter Moralisten einfordern (siehe dazu meine Notiz: „Toleranz als Bedingung der Freiheit“) und muss sich nicht um eine gedachte Beläs-tigung Sorge machen.
c. Der Anspruch auf redliche Nacktheit ist herzuleiten aus dem Art. 2 Grundgesetz. Aus der dortigen Formulierung, dem „Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“. Die o. e. Idee einiger Freunde der redlichen Nacktheit und insbesondere der sogenannten FKKler, es gä-be auch den Anspruch, Nackte in der Öffentlichkeit nicht sehen zu müssen, hat keine Basis in den verbindlichen Rechtsnormen in Deutschland; niemand hat jemals auf eine solche vermeintliche Norm hingewiesen, noch viel weniger sie nachgewiesen. Es gibt also keinen derartigen Rechtsanspruch; aber ggf. eine einschlägige Moralvorstel-lung. Solche Moralvorstellungen, Andere mit der eigenen Nacktheit nicht konfrontieren zu wollen, sind aber selbstverständlich nicht all-gemeinverbindlich und eine Wertung unterschiedlicher Moralvorstel-lungen bleibt der Ethik vorbehalten.
d. In der Öffentlichkeit treffen ggf. Menschen unterschiedlichster Mo-ralvorstellungen zum Beispiel beim Baden an frei zugänglichen Seen oder dem Wandern im Zeitablauf aufeinander. Die Lebenswirklichkeit zeigt, dass
i. selbstsichere Nackte völlig unbeeindruckt weiterhin nackt bleiben,
ii. Nackte, die eine gedachte Belästigen vermeiden wollen, sich be-kleiden müssten, wenn sie die fragliche Besorgnis ernst nehmen. Dieses aber kaum tun und ggf. schnell hinter Büschen ver-schwinden (habe ich im FKK-Forum gelesen),
iii. Bekleidete, die redliche Nacktheit unter den gegebenen Um-ständen akzeptieren (gutheißen, weil zur eigenen Moral pas-send) oder mindestens tolerieren (nur dulden, weil nicht zur ei-genen Moral passend), völlig unbeeindruckt sind und
iv. Bekleidete, die Nacktheit noch nicht einmal tolerieren wollen, die Flucht ergreifen müssen und/oder nach der Polizei rufen.
In einer Offenen Gesellschaft, die das Grundgesetz als Lebensform für alle vorgibt, kann es gar nicht anders sein, dass es Menschen mit unterschiedlichen Moralvorstellung gibt und für ein friedliches Mitei-nander ein hohes Maß an Toleranz erforderlich ist, um die gewollte Freiheit (im weitesten Sinn) möglich zu machen. Die Grenzen dieser Freiheit bestimmt u. A. wieder der Art. 2 GG: „….soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ord-nung oder das Sittengesetz verstößt“. „Sittengesetz“ steht nur noch dort; rechtlich und in der Rechtsprechung hat es keine Bedeutung.