von nordnackt » Mo 6. Jan 2020, 14:10
Wer Grundrechte im Wortlaut zitiert und daraus unmittelbar etwas (für sich oder andere) herleiten möchte, macht es sich zu einfach.
Auch die Grundrechte, grundsätzlich Abwehrrechte gegen den Staat, gelten nicht absolut, sondern unterliegen teilweise Einschränkungen unterschiedlicher Art und unterschiedlichen Umfangs im Sinne von "Schranken" und "Schranken-Schranken". Gegenläufige Positionen müssen im Sinne einer praktischen Konkordanz ausgeglichen werden, und zwar vornehmlich durch "einfache" Gesetze. Deshalb stellen Grundrechte keine Anspuchsgrundlage nach herkömmlichem Verständnis dar. Ähnlich liegt es bei dem viel zitierten und insbesondere in der Laiensphäre regelmäßig missverstandenen § 242 BGB.
Damit ist eine Auslegung unumgänglich. Diese hat den Zeitgeist zu berücksichtigen, wobei natürlich unterschiedliche Auffassungen etc. vertreten werden können. Die Richterschaft soll einen Spiegel der Gesellschaft darstellen, also mit all ihren Ausformungen (fortschrittlich, konservativ, liberal usw.). Daher gilt ja: Zwei Juristen, drei Meinungen. Oder, mit anderen Worten: Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand.
Man weiß also oftmals vorher nicht, was hinten rauskommt. Sich diametral widersprechende Ergebnisse, etwa in vergleichbaren Verfahren, können beide richtig sein (nicht müssen!).
Für etwaige Rechtsirrtümer gibt es übrigens spezielle Vorschriften, nach denen Strafe gemildert oder ganz von Strafe angesehen werden kann. Maßstab ist vornehmlich die Vermeidbarkeit des Irrtums.