@ Shiva205
Meine Nachbarin hat gemeint, dasss das Schamgefühl (und der Zwang zur Bedeckung primärer und sekundärer Geschlechtsteile) etwas mit der Vertreibung aus dem Paradies zu tun hat.
Das Schamgefühl als Gefühl selbst ist in uns Menschen angelegt und somit natürlich vorhanden. Der Inhalt, also weswegen wir uns schämen müssen oder sollen, hin gegen ist kulturell gesetzt. Diese Grundbemerkung erst einmal zum Wesen der Scham.
Die Aussage deiner Nachbarin entspricht einem wörtlich-eingeschränkten Verständnis des biblischen Begriffes der Nacktheit. Mit der Aussage: "Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren." (Gen. 3,7) wird gesagt, dass den Menschen sich eine neue Erkenntniswelt öffnete. Mit dem Ausdruck, "sie erkannten, dass sie nackt waren." ist jetzt nicht gemeint, dass die Menschen erkannten keine Kleidung zu tragen und deshalb nackt waren. Nein, es ist damit gesagt, dass der Mensch erkannte, schutzlos zu sein.
"Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz." (Gen. 3,7) wird von vielen Menschen so verstanden, dass die Menschen sich ihre "Scham" bedeckten und sich wegen der vorher unverhüllten "Scham" schämen müssten. Als "Scham" wird der Teil des Körpers bezeichnet, welcher sich unterhalb des vorderen Beckenknochens, des Schambeins, befindet und rechts und links von den Beinen abgegrenzt wird.
Dass dieses eine Fehlinterpretation ist, obgleich einem dieses wohl auch heute noch so im Religionsunterricht erklärt wird, kann daraus abgeleitet werden, wenn wir uns den entscheidenden Satz zwei Verse früher in der Biberl ansehen. Dieser lautet: "Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse." (Gen. 3,5). Die Nacktheit ist also hier der Gewinn der Erkenntnis, was Gut und was Böse ist, also nicht das Fehlen einer Kleidung, die etwas verdeckt.
Ich frage mich: Handelt es sich dabei um eine kollektive Geisteskrankheit, die sich in fast alle Kulturen eingeschlichen hat?
Also, von einer Geisteskrankheit kann hier nicht gesprochen werden. Wir haben nur das Verständnis für die alte Sprache und die alten Sprachbilder verloren und nehmen diese alten Sprachbilder wörtlich, und dann noch nach unserem heutigen Wortverständnis.
Ist nicht der Nacktheitsbegriff selbst schon ein Symptom davon?
Nein, der Nacktheitsbegriff ist heute derartig unscharf, dass viele Menschen diesen nicht mehr aus dem ursprünglichen Wortsinn heraus verstehen. Nackt ist bei uns heute einmal das Fehlen von Kleidung insgesamt oder ein Fehlen an bestimmten Stellen. Ein anderes Mal ist es das Fehlen von einer Verhüllung (z.B. nackres Mauerwerk = unverputzt) oder eines Schutzes (nackt vor einer Versammlung stehen = das Fehlen eines Redetextes, das Fehlen von entschuldbaren Argumenten, u.s.w.). Der Mensch gilt deswegen als nackt, weil er sein Fell bis auf wenige Reste verloren hat. Nackt im kulturell-moralischem Sinne ist der Mensch, wenn dieser seine äußeren Geschlechtsmerkmale nicht bedeckt, wobei es der Frau auch häufig nicht gestattet wird, ihre ausgereiften Brüste unverdeckt zu zeigen. Die unausgereiften Brüste beim Kind und beim Mann hingegen stellen kein moralisches Problem dar. Warum eigentlich?
Eigentlich sollte es keine ausgewiesenen FKK-Gebiete geben, sondern nur extra ausgewiesene Textil-Bereiche.
Diese deine Forderung ist sehr verständlich, gerät aber mit deiner nächsten Aussage:
Mit "Textil" sei hier nur die explizit-absichtliche Schambedeckung gemeint - Textilien zum Schutz vor Kälte, Insekten, Sonne ... würde ich hier mal aussen vor lassen.
in Konflikt, obgleich diese deine Aussage völlig richtig und zutreffend ist. Diesem deinem Anliegen würde besser gedient werden, wenn du fordern würdest, dass das Tragen von Kleidung jedem frei gestellt sei. Auf diesem Wege wäre die Nacktheit nicht das Besondere und moralisch zu bewertende, sondern das Tragen der Kleidung.
@ FKK ist Freude
Wir können der Generation dankbar dafür sein, dass sie so schöne Areale geschaffen haben in einem äusserem Umfeld, das dem schaffen dieser Bereiche alles andere als wohlwollend gegenüber stand. Dass sie uns zu den Menschen gemacht hat, die mehr oder weniger frei mit Nacktheit und auch der Sexualität umzugehen lernen durfte.
Du triffst hier eine sehr idealisierte Aussage. Es geht jetzt hier in diesem Thread darum, so verstehe ich diesen zumindest, diesen von dir beschriebenen Freiraum zu erhalten bzw. wieder zu erlangen.
Zu ihrer Zeit war es vollkommen undenkbar, sich nur nackt vor ihren Eltern zu bewegen.
Das stimmt. Aber wir laufen Gefahr, wieder in eine solche Zeit zurück zu fallen. Es sei dir in Erinnerung gerufen, welche Reaktionen es ausgelöst hat, als ein Mann mit seiner kleinen vorschulpflichtigen Tochter in der Badewanne sich ablichtete und dieses Bild ins Netz stellte. Aria hat mit vielen anderen Beispielen ebenfalls auf diese Entwicklung aufmerksam gemacht. Ich halte unsere Gesellschaft jedoch noch nicht für so frei und so frei gewesen, sich mit einer natürlichen Nacktheit unverfänglich beschäftigen zu können.
Nacktheit ist etwas Schönes.
Ja, und natürlich ist es ebenso.
Dies rüberzubringen ist unser Anliegen.
Auch hier bin ich voll und ganz bei dir.
Da der Begriff der Nacktheit auch mit dem Gefühl der Schutzlosigkeit verbunden ist, löst Nacktheit Ängste aus. Die Frage ist wirklich, bedeutet Nacktheit gleichzeitig auch Schutzlkosigkeit? Wenn nein, wie kann ich dieses verständlich meinen Mitmenschen übermitteln?