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Nacktheit und Sexualethik

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Nacktheit und Sexualethik

Beitrag von HTJ » Do 23. Mai 2024, 10:19

Da ich eine Zeit hier im Forum nur passiv mitgelesen habe, konnte ich mir zwischenzeitlich ein paar Gedanken machen. Außerdem hat mich Eule im Thread "Schamgefühl in der Pubertät " auf eine Idee gebracht.
Okay, einige werden jetzt sagen: "Nicht schon wieder ein Thread, der sich wissenschaftlich mit FKK befasst." Wer sich aber damit nicht befassen möchte, muss das auch nicht. Es gibt hier weder eine Lese- noch eine Schreibepflicht.
Auch werden einige darauf hinweisen, dass ich ja kein Fachmann bin. Ja, ich bin weder Soziologe noch Psychologe. Aber auch diese Fachleute scheinen sich kaum mit den Fragen, wie sich die Einstellung der Menschen zur Nacktheit entwickelt, zu befassen.
Ich gehe der Frage nach, welchen Sinn es in der Evolution des Menschen macht, die Menschen mit solch einen Schamgefühl auszustatten, und welche Rückschlüsse man daraus zieht.
Um sich mit dieser Frage zu befassen, muss man sich die Fortpflanzungsstrategie des Menschen anschauen. Wie jedes Lebewesen will und muss sich der Mensch fortpflanzen um nicht auszusterben. Ein Reihe von Lebewesen macht das nach dem Motto: Masse statt Klasse. Dadurch überleben dann genug Nachkommen. Beim Menschen aber geht das nicht. Ein Geburt ist sehr anstrengend und ein Kind braucht sehr lange, ehe es selbstständig ist.
Also geht es beim Menschen nach dem Motto: Klasse statt Masse. Dadurch müssen auch Menschen sorgfältig auswählen, mit wen sie sich paaren. Diese sorgfältige Auswahl beschreibt den Fakt, den wir in der menschlichen Gesellschaft als sexuelle Selbstbestimmung bezeichnen. Dass diese sexuelle Selbstbestimmung tief in den menschlichen Genen verwurzelt ist zeigt sich in der Tatsache, was für ein tiefes Trauma eine Vergewaltigung für eine Frau ist. Also ist Ziel für jede menschlichen Gesellschaft, Sexualität mehr oder weniger zu regulieren.
Jetzt kommen wir auf die Sache mit der Kleidung. Natürlich war Kleidung zuerst Schutz gegen Kälte. Aber bald hat auch die Kleidung die Funktion bekommen, Sexualität zu regulieren. Jeder Kulturkreis hat einen anderen Grad der Bedeckung. Aber wenn man sich die Abstufung betrachtet: Vollverschleierung- Kopftuch- Badeanzug/ Bikini- oben ohne- Hüftschnur, so scheint ja die Nichtbedeckung der Geschlechtsorgane das größte Tabu der Menschen zu sein. Selbst die Hüftschnur ist ja eine symbolische Bedeckung der Geschlechtsorgane. Das sieht man auch, wenn schamhafte Menschen nackt überrascht werden, tun sie reflexartig ihre Geschlechtsorgane verdecken.
Wie nun entwickelt sich die Einstellung der Menschen zur Nacktheit. Der Mensch passt sich immer an die Rahmenbedingungen seiner Umwelt an. Zum Beispiel in Zeiten von Nahrungsüberfluss sind schlanke Figuren das Schönheitsideal, Dagegen in Zeiten von Nahrungsmittelknappheit sind üppige Formen das Schönheitsideal. Genauso passt sich der Mensch bei Nacktheit an die Umwelt an,. Sieht eine Gesellschaft mehr eine freie Sexualität, öffnen die Menschen auch ihren Körper. Sieht eine Gesellschaft mehr die Gefahren der Sexualität, so so ziehen die Menschen ihren nackten Körper mehr zurück. Wie Eule schon im Thread über Schamgefühle in der Pubertät richtig bemerkt hat, erfolgt u. a. durch verschiedene Missbrauchsfälle eine Neubewertung der Nacktheit durch die Gesellschaft. Das Schamgefühl ist nur eine Folge, weil man dann gegen eine soziale Norm verstößt.
Wie waren denn die Rahmenbedingungen der letzten 100 Jahre. Es scheint so, dass nicht nur Aspekte der Sexualität hier hereinspielen. Auch wie gewalttätig oder unsicher eine Gesellschaft ist spielt eine Rolle. Außerdem machen die Menschen keinen Unterschied zwischen gefüllter und tatsächlicher Unsicherheit.
Die 1950er Jahre waren ja sehr prüde. Hier sieht man, dass die Zeit des 2. Weltkrieg hier noch nachgewirkt hat. Ein größeres Trauma als den 2. Weltkrieg gibt es warscheinlich kaum. Dann kamen die 68er Jahre. Die Entdeckung von Antibiotika und die Pille haben eine Freiheit der Sexualität hervorgerufen wie kaum vorher. Dadurch kam es auch zu einer Neubewertung der Nackheit im positiven Sinn.
Und gegenwärtig: Die große Freiheit der Sexualität wurde plötzlich unterbrochen durch das Aufkommen von Aids. Mit der großen Freiheit war es plötzlich vorbei. Nicht umsonst ging seit den 1980er Jahren FKK im Westen schon zurück. Auch viele andere Sachen wie Metoo-Debatte oder die Missbrauchsfälle an Kindern wirken hier. Da sieht man auch, dass es auch eine gefühlt Bedrohung sein kann. Wie wir wissen, steht nicht hinter jedem Baum ein Kinderschänder und Missbrauch findet an ganz anderen Stellen statt.

Zusammenfassend kann man sagen: Nur eine freie Sexualität bringt mehr Gelassenheit der Nacktheit gegenüber. Sexualisierung als Ursache für den Rückgang von FKK festzumachen ist Unsinn. Die 1960/70/80er Jahre waren viel mehr sexualisiert. Den Menschen erscheint nur die Gegenwart stark sexualisiert, da man zur Zeit mehr die negativen Aspekte der Sexualität sieht.

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Re: Nacktheit und Sexualethik

Beitrag von ynda » Do 23. Mai 2024, 10:56

HTJ hat geschrieben:Zusammenfassend kann man sagen: Nur eine freie Sexualität bringt mehr Gelassenheit der Nacktheit gegenüber. Sexualisierung als Ursache für den Rückgang von FKK festzumachen ist Unsinn. Die 1960/70/80er Jahre waren viel mehr sexualisiert. Den Menschen erscheint nur die Gegenwart stark sexualisiert, da man zur Zeit mehr die negativen Aspekte der Sexualität sieht.

Unabhängig davon, dass dieses gelegentlich von einigen anderen auch schon so ähnlich gesagt/geschrieben wurde,
ist diese (obige) Zusammenfassung die beste, klarste und eindeutigste Formulierung bisher. :idea:
Bin gespannt auf die Widersprüche der üblichen Verdächtigen. ;)

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Re: Nacktheit und Sexualethik

Beitrag von Arno Nühm » Do 23. Mai 2024, 21:13

HTJ hat geschrieben:Zusammenfassend kann man sagen: Nur eine freie Sexualität bringt mehr Gelassenheit der Nacktheit gegenüber.

Zu dem Schluss, dem ich durchaus zustimmen würde, kann man meines Erachtens auch noch mittels einer anderen Argumentationslinie kommen:

Geht man von der Grundannahme aus, das ein wesentlicher Grund für die gesellschaftliche Tabuisierung der Nacktheit die Kombination aus einer Tabuisierung der Sexualität und der (gesellschaftlich angenommenen) Verbindung von Nacktheit und Sexualität ist, so ergeben sich zwei offensichtliche Angriffspunkte für eine Enttabuisierung der Nacktheit: (a) man kann versuchen Nacktheit und Sexualität in der gesellschaftlichen Wahrnehmung strikt zu trennen oder (b) man kann versuchen die Sexualität zu enttabuisieren.

Die (europäische) Geschichte des 20. Jahrhunderts legt nahe, dass (b) wesentlich besser funktioniert als (a). Die "klassische" FKK-Bewegung hat ja sehr stark auf Option (a) gesetzt - und hat nie eine breite gesellschaftliche Akzeptanz der Nacktheit über die Bewegung selbst hinaus erreicht. Dagegen hat die Liberalisierung der Sexualmoral in Folge der 68er (im Westen) zur großen "Nackbadewelle" (ich nenne es bewusst nicht FKK) der 70er bis frühen 80er zumindest stark beigetragen und auch in der DDR war m.E. der erheblich lockerere Umgang mit Sexualität sicher einer der Gründe warum Nacktbaden spätestens ab den 70er Jahren gesellschaftlich weitgehend akzeptiert war.

N.B. es geht hier allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz, und damit um die Sicht der restlichen Gesellschaft auf die Nacktheit, nicht um die Sicht der Beteiligten !

Arno

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Re: Nacktheit und Sexualethik

Beitrag von HTJ » Fr 13. Dez 2024, 10:30

Ich habe zwar gesagt, es muß nicht jeder über die theoretischen Grundlagen von Nacktheit und FKK diskutieren. Allerdings hätte ich mir schon eine breitere Beteiligung gewünscht. Ich habe mir nun weitere Gedanken gemacht.
Es wird ja oft gesagt, Nacktheit und FKK haben nichts mit Sexualität zu tun. Ich sehe das aber anders:

Nacktheit und FKK haben viel mit Sexualität zu tun und das ist gut so!

Warum ist das so. FKK und und Nacktheit haben viel mit Sexualität zu tun, aber nichts mit Geschlechtsverkehr und anderen sexuellen Handlungen . Geschlechtsverkehr ist nur ein Teilaspekt der Sexualität. In meinem Eingagsbeitrag habe ich gesagt, das das Schamgefühl eine Schutzfunktion hat, um die Menschen in Zeiten ohne Rechtsstaat und sozialen Netz vor den negativen Aspekten der Sexualität zu schützen. Wenn also ein Mensch gegenüber einem anderen Menschen, mit dem er kein Geschlechtsverkehr haben möchte, ein negatives Gefühl in Form des Schamgefühls hat, was passiert dann, wenn dieser Mensch zum Geschlechtsverkehr bereit ist. Logischerweise muss sich dieses negative Gefühl in ein gutes Gefühl umwandeln. Sich beim Geschlechtsverkehr fallen lassen und und Schamgefühl würden sich nicht vertragen. Genau wie man Ekelgefühle ablegt, sonst würden Menschen kein Oral- und Analverkehr praktizieren.
Da nun in den 1960/70er Jahren eine Befreiung der Sexualität erfolgte, konnte man die Aspekte der Sexualität voneinander trennen. Was in früheren Zeiten sinnvoll war, nämlich dass Geschlechtsverkehr nur in festen Bindungen wie der Ehe möglich war und das Schamgefühl gegenüber fremden Menschen, war dann nicht mehr nötig. Man konnte ohne negativen Folgen one-night-stands haben. Man konnte aber eben auch das Schamgefühl ablegen und dieses gute Gefühl unabhängig vom Geschlechtsverkehr erleben.
Noch ein Wort zum Thema Sexalisierung. Dieses Wort wird oft dort verwendet, wo es Unsinn ist. Was ist Sexualisierung. Wenn z. B. in Thüringen eine Fleischer mit einer halbnackten Frau für Bratwürste wirbt, so ist das Sexualisierung, weil Bratwürste eigentlich nichts mit Sexualität zu tun haben. Das Gegenteil ist folgender Fall: Hier im Forum wurde mal eine Doku verlinkt, in der es um die weibliche Brust ging. Darin haben zwei Frauen in der Öffentlichkeit ihre Babys gestillt. Zwei Männer gingen dann vorbei, worauf der eine sagte: "Jetzt bekommen wir etwas schönes zu sehen " Worauf die eine Frau dann sagte "Wie man so ein Körperteil nur so sexualisieren kann "
Diese Aussage ist für mich Unsinn. Die Sexualität bedingt, dass Menschen ein Körperteil wie die weibliche Brust als schön empfinden. Was aber schon sexuell ist kann man nicht noch extra sexualisieren. Der Grundirrtum heutzutage ist, dass man denkt, wenn man den weiblichen Körper als schön empfindet, dass dies etwas schlimmes ist. Natürlich war die Bemerkung dieses Mannes unhöflich. Aber Unhöflichkeit und Sexualisierung sind zwei unterschiedliche Sachen.
Also: Die Sexualisierung für den Rückgang von FKK verantwortlich zu machen ist Unsinn. Eher ist die Verteufelung von Sexualität verantwortlich.

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Re: Nacktheit und Sexualethik

Beitrag von Seelöwe » Fr 13. Dez 2024, 10:58

Endlich mal eine fundiere und sachliche Diskussion zu dem Dauerthema!
Ich kann da nur beipflichten aus meiner Erfahrung aus den 1970er Jahren, als FKK „in“ wurde und auch darüber offen gesprochen werden konnte (jedenfalls in meinem Unfeld): Ohne die „sexuelle Revolution“ wäre das kaum möglich gewesen.
Die Gegenbewegung der 1990er kam alleine durch die Kommerzialisierung von Sexualität, Freizeit, und damit auch Nacktheit - und natürlich durch diejenigen, die weiter versucht haben, Arnos Option b) und strikte Regeln, die über übliche Anstandsregeln und eben die Scham, den Sexualakt öffentlich zu vollziehen, weit hinausgehen. als Bedingung für FKK durchzusetzen. Damit wurde und wird der Freikörperkultur gerade die Freiheit genommen - bis hin zur erlebten Forderung in (ok, nur einem erfahren) Vereinen, sich z.B. beim Volleyball „wenigstens eine Hose“ anzuziehen…

Grüße vom Seelöwen

 

Re: Nacktheit und Sexualethik

Beitrag von OSKAR » Fr 13. Dez 2024, 12:42

Wenn geschrieben wurde:
„….kann man meines Erachtens auch noch mittels einer anderen Argumentationslinie kommen“, dann z. B. mit den Schwankungen der Wertschätzung der Freiheit ganz allgemein und dann wäre die größere Wertschätzung bzw. Offenheit gegenüber der Nacktheit und der Sexualität nur ein Teilbereich der sich ändernden gesellschaftlichen Wertvorstellungen. Ich könnte zu dieser Idee neigen.

Für eine offenere Einstellung zur Nacktheit mache ich mich ebenso stark wie bezüglich der Sexualität. Aber es sind zwei sehr verschiedene Welten. Zur Nacktheit gehört Sexualität genauso wenig wie "gemeinsames Biertrinken im FKK-Verein“. Die Aspekte der redlichen Nacktheit lassen sich völlig losgelöst von Überlegungen zur Sexualität diskutieren. Es ist eine schreckliche Verkrampfung der FKK-Bewegung, Sexualität wie eine Schimäre vor sich herzutragen.

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Re: Nacktheit und Sexualethik

Beitrag von HTJ » Fr 13. Dez 2024, 13:41

@OSKAR
Seit ich in diesen Forum Mitglied bin, versuche ich gebetsmühlenartig den Leuten zu sagen: Der Begriff "Sexualität" beschreibt erst einmal nur die Tatsache, dass es zwei Geschlechter gibt. (Bitte hier keine Diskussionen über noch mehr Geschlechter) Haben sich schon mal welche hier im Forum gefragt, warum sie unheimlich viel Energie dafür verwenden, um nackt zu sein. Sei es, dass man kilometerweit fährt oder man sich hier im Forum verbal die Köpfe einschlägt. Warum geraten manche Menschen angesichts eigener oder fremder Nacktheit in Panik, und für andere ist es die größte Freiheit, die man sich vorstellen kann. Dies ist eben nur durch die Grundlagen der menschlichen Sexualität erklärbar.
Die Frage der Toleranz ist noch eine ganz andere. Aber darum geht es hier nicht. Es geht allein darum, wie sich Gesellschaften allgemein verändern.

 

Re: Nacktheit und Sexualethik

Beitrag von OSKAR » Fr 13. Dez 2024, 13:56

Ich empfinde, dass gegenwärtig die Freiheit ganz allgemein große Einschränkungen erfährt. Cancel Culture ist schon zu einem Stichwort bei Wikipedia geworden; wer die Diskussionskultur an den Hochschulen und Universitäten weltweit verfolgt, muss erschreckt sein über den Verfall der Akzeptanz der freien Meinungsäußerung. Nacktheit und Sexualität sind Teilprobleme des Verfalls der Freiheit und Toleranz. Höchst bedenklich!

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Re: Nacktheit und Sexualethik

Beitrag von HTJ » Fr 13. Dez 2024, 14:48

@OSKAR
Du magst Recht haben. Aber nochmal: Darum geht es in diesen Thread nicht.

 

Re: Nacktheit und Sexualethik

Beitrag von OSKAR » Fr 13. Dez 2024, 15:05

Mir erschien es, dass eine Abhängigkeit der Nacktheit von der Akzeptanz der Sexualität behauptet wurde. Das sehe ich nicht. Die Akzeptanz der Nacktheit zum einen und der Sexualität zum anderen sehe ich in direkter Abhängigkeit der Wertschätzung der Freiheit. Nacktheit hat für mich so wenig oder so viel mit Sexualität zu tun wie Wandern oder Schwimmen usw. Aber wunschgemäß melde ich mit dann hier nicht mehr.

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