Nackt-Bergsteigen / 30.07.2024: Brandenberger Alpen: Guffert-Nordwestrinne und -Nordflanke
bzw.:
Nackt und frei durch die Nordwestrinne hinauf und durch die wilde Nordflanke hinab 
Soll ich? - oder: Soll ich nicht? - Soll ich? - oder: Soll ich nicht? - ...
Warum? An anderen Stellen in diesem Forum habe ich gelesen, daß einerseits einfacher und kurzer Text "gewünscht" sei - und andererseits bemängelt wird, daß dieses Forum "zu bildlastig" werden würde...
OK, dann hier die Warnung noch vor einem "bitte nicht nachmachen": An dieser Stelle bitte das Lesen beenden, wenn...

Den anderen interessierten Lesern (auch -innen) wünsche ich viel Spaß mit meinem Erlebnis-Bericht von dieser Tour.
Der sog.
Guffert-Westgrat als leichte Kraxeltour - es ist eine Gratüberschreitung mit einigen heiklen, aber eher leichten Kletterstellen - steht bereits "im Tourenbuch", da weckte die Lektüre dieser Aufstiegsmöglichkeit
Guffert Nordwestrinne - eine Klettertour für warme Sommertage (Juni 2022) sogleich mein Interesse. Als nun ergänzend auch noch die
Guffert Nordflanke - neue Klettertour durch eine eindrucksvolle Felsszenerie (Juli 2024) veröffentlicht wurde, war die Kombination beider Routen für Auf- und Abstieg genau passend, um bei der nächsten stabilen Wetterphase diese Runde auszuprobieren - und natürlich so weit wie möglich so natürlich wie möglich...
Mit dem PKW läßt sie sich relativ einfach als Tagestour gestalten, doch bei Anfahrt mit dem ÖPNV passt sie - zumal als "Erkundungstour" im überwiegend unbekannten Steil-Gelände - nicht richtig in das verfügbare Tages-Zeitfenster hinein.
Situationsbedingt als Solo-Unternehmung geplant, hatte ich meinen Tourenrucksack inkl. Nächtigungsausrüstung mit in die Arbeit genommen, dort Mittags Schluss gemacht und bin von München aus mit der BOB an den Tegernsee gefahren. Dort ist die länderübergreifende Bus-Verbindung (nach Pertisau / Achensee) das entscheidende Zeitelement: Je zwei Verbindungen am Tag pro Richtung, eine am Vormittag, eine am Nachmittag, wobei in der Hinfahrt die VM-Verbindung und bei der Rückfahrt die NM-Verbindung besser mit dem Anschluß-Bus in das Tal nach Steinberg a.R. abgestimmt ist.
So stelle ich mich in Achenkirch an der Abzweigung mit gehobenem Daumen an die Strasse - und werde sogleich mitgenommen. Der Ausgangspunkt ist die
Untere Bergalm (ca. 1000 m, kostenpfl. Parkplatz, derz. 6 €/Tag) mit der Bushaltestelle
Waldfrieden. Ich schaue mich dort etwas um (ursprünglicher Gedanke der Übernachtung im Tal) und entscheide mich (ca. 16:30 Uhr), die "gewonnene" Stunde bereits in einen gemütlichen Aufstieg am Spätnachmittag zu investieren.
Das perspektivisch unspektakuläre Guffert-Massiv mit dem unteren Westgrat von der Unteren Bergalm
Die Aufstiegsspur (UIAA II-III) des nächsten Tages durch die Nordwestrinne. Rechte Gratlinie: Westgrat So wird nach einem kurzen Stück Forstweg eine Getränkedose in einem schattig-kühlen Bodenloch für die Rückfahrt deponiert und der Beginn des kleinen Steiges aufgesucht, der um den Guffert-Bergstock herum zur Issalm führt. Wenn schon gemütlich, dann barfuß - und weil um diese Zeit unter der Woche hier niemand zu erwarten ist - auch nackt. So steige ich in der warmen Nachmittagssonne durch schattige Waldpassagen höher und kann später, bei sich öffnendem Gelände, auch Blicke in die geplante Aufstiegszone werfen. Die versteckt gelegene
Jagdhütte wird erreicht und damit auch der Trinkwasserbrunnen, der in diesem eher feuchten Jahr mit frischem Wasser aufwartet. Erst verzögert entdecke ich auf der Frontseite unter dem Dachgiebel die angebrachte Überwachungskamera...
Der Rucksack wird deponiert und mit leichtem Gepäck gehe ich in südlicher Richtung auf Erkundungstour, dort soll nach alter ÖK50-Karte ein Steig weiterführen. Nach längerem Suchen finde ich doch noch ein kürzeres Fragment, da er nicht mehr benutzt und gewartet wird, hat die Erosion und Vegetation diese Spur verschwinden lassen. Eine steilere Freifläche im Wald bietet mir besten freien Blick auf die gestaffelten Bergketten in nordwestlicher Richtung - und damit auf den Sonnenuntergang, den ich immer noch barfuß und nackt auf einem Felsen sitzend genieße. Im Umfeld der Hütte wird zu Abend gegessen und der Schlafsack auf einer ebenen, vegetationsfreien Stelle ausgebreitet. Selbst um 22 Uhr hat es hier auf ca. 1400 m noch 16..17 °C.
Sonnenuntergang hinter den Blaubergen Es war eine ruhige Nacht unter teilweise baumfreiem Sternenhimmel - daher hat sich die Morgenfeuchtigkeit etwas auf den Schlafsack und das umgebende Gras gelegt. An den Berghängen gegenüber ist die Sonne bereits aufgegangen, es wird bereits wieder nackt gefrühstückt, das Gepäck zusammengeräumt und der Rucksack deponiert.
Dann geht's gegen 7:15 Uhr mit griffigen Zustiegsschuhen, aber sonst wieder nackt (und frei...), zur
Nordwestrinne hinüber, in der bei leicht kühlendem Fallwind gut aufgestiegen werden kann. Oben sind einige Gämsen unterwegs, sie erkennen einen naturfarbigen Zweibeiner, pfeifen und weichen nach oben hin aus. Das zunehmend steiler werdende Gelände macht mir keine Probleme und der hier am Morgen völlig schattige Aufstieg ist mehr als angenehm. Da ich möglichst lange dem Westgrat fern bleiben möchte, und ich ohnehin über dem großen "teilenden" Latschenfeld etwas weiter links unterwegs bin (ca. UIAA II-III), wähle ich die linke (östliche) Variante - und entscheide mich dort nicht für den diagonalen Aufstieg in den eher bröseligen Schrofen nach oben, sondern für das Genuß-Klettern (ca. II-III) entlang der zahlreichen Wasserrinnen in den geneigten Kalkplatten. Oben, unter der Steilwand angekommen, dann eher waagrechtes queren zurück in das im Bericht beschriebene Gelände mit dem einfachen Ausstieg auf die Grathöhe (beim kurzen "Reitgrat", ca. 9:15 Uhr).
Die Nordwestrinne liegt am Morgen im kühlen Schatten, noch mit leichtem Fallwind
Oben eine herrliche Plattenkletterei (UIAA II-III) entlang der vielen Wasserrinnen
Rückblick auf den Westgrat - rechts-unten ist der schrofige Ausstieg für linke Variante
Guffert-Westgipfel und -Ost/Hauptgipfel (Guffertspitze)
Guffert-Westgipfel mit dem Tegernsee / Mangfallgebirge im Hintergrund Natürlich ist der Tag noch jung, aber offenbar ist trotz dieses Prachtwetters (noch) niemand unterwegs auf dem klassischen Westgrat, und so habe ich den
Guffert-Westgipfel (ca. 2140 m, 9:45 Uhr) für mich ganz alleine. Eine längere Pause kommt mir trotz der phantastischen Rundumsicht nicht in den Sinn, denn im Hinterkopf habe ich gespeichert, die unbekannte Nordflanke mit nicht abschätzbaren Zeitbedarf abzusteigen (ggfs. aber wieder umkehren zu müssen) und am Nachmittag die Bus-Verbindung nach Hause zu nehmen. Einige Fotos müssen somit reichen und eine halbe Stunde später bin ich drüben auf dem Hauptgipfel, der
Guffertspitze (2194 m), die wie zu erwarten war (kurz vor dem Gipfelkreuz habe ich mir die Short angezogen), bereits Tagesgäste - auch Kinder und Hunde - die großartige Fernsicht geniessen läßt.
GK Guffert-Hauptgipfel / Guffertspitze mit Blick auf das Mangfallgebirge
GK Guffert-Hauptgipfel / Guffertspitze mit Blick auf Unnütz und das Karwendelgebirge
Blick in die Nordflanke vom Guffert-Hauptgipfel. Im Hintergrund das Mangfallgebirge
Blick über den Guffert-Ostgrat (Normalweg) hinaus auf das Kaisergebirge & Co
Der Einstieg (Stoamandl in Felsnische) in die Nordflanke mit dem Guffert-Westgipfel Auch dort verweile ich nicht lange und habe gegen 11 Uhr den (beschriebenen bzw. mit einem Stoamandl in kleiner Felsnische markierten) Einstieg in die
Nordflanke gefunden. Ab hier bin ich weg vom markierten Normalweg und damit passt für mich auch wieder nackt, trotz des anspruchsvollen und für mich völlig unbekannten Geländes. Der guten Beschreibung zum Trotz habe ich mich mittels dem Ausdruck einiger Luftbilder mit eingeblendeten Höhenlinien gut vorbereitet, um diesen Abstieg alleine wagen zu können. Solange ich mich nicht ernsthaft versteige (oder ausrutsche...), bleibt mir der einfachere Aufstieg als Rückzug erhalten. Das viele lose Geröll ist mitunter das Herausforderndste im oberen steilen Abschnitt - die grobe Richtung als Orientierung ist vorgegeben, dazwischen ist schauen und probieren die Devise. Die im o.g. Ideen-Bericht erwähnte "Schlucht" kann ich erkennen, aber die "beeindruckende Höhle" ist aus dieser Perspektive nicht sichtbar. Dadurch bin ich nicht rechtzeitig waagrecht gequert, sondern über die grasigen Stellen nach schräg links-unten abgestiegen - und kann etwas über dem weiteren Abbruch dieser schluchtartigen Einkerbung noch via einer kurzen II'er-Stelle in diese hinabklettern. Danach wird das Gelände durch seine gestufte Form etwas unübersichtlich, es dürfte aber richtig sein, an einer kleinen Felsecke, von einer von oben herab führenden Rippe verursacht, vorbei zu traversieren, nur um danach eine ähnliche Geländekonstellation mit dem schulterartigen Fels-Latschen-Köpferl anzusteuern. Mental auf kontinuierlichen Abstieg eingestellt, muß ich es mir - basierend auf der Beschreibung - tatsächlich bewußt machen, dort etwas AUFsteigen zu müssen (die kleine Steinmauer ist die Bestätigung), um danach in eine leicht abwärts gerichtete Querung überzugehen. Die Unsicherheit, den Einstieg in die "richtige" Rinne zu erwischen, wird mit der späteren Erkenntnis ausgeräumt, daß es der große Steintrichter unter einem darüber leicht überhängendem Felswulst ist. Die Steilstellen in der Rinne sind mit etwas Umsicht gut abzuklettern, später plätschert darin auch etwas Wasser, das durch die vorhandene Vermoosung wohl ganzjährig vorhanden sein dürfte. Ich bin nun so auf den Abstieg in der Rinne fixiert, dass ich am unscheinbar querenden Steig vorbei tiefer steige und wenig später, es ist gegen 13 Uhr, an einem Abbruch ausgebremst werde. Zurück kehrend, nach einer Umgehung Ausschau haltend, sehe ich dann seitlich die rot-weiß-rote Steigmarkierung (ca. 1500 m).
Im mittleren Teil der Nordflanke mit der Ostwand des Guffert-Westgipfels
Rückblick auf die Nordflanke vom unteren Teil der Abstiegsrinne, etwas oberhalb des Steigs Auf diesem Steig bin ich an der verfallenen Stubachalm vorbei alsbald wieder bei der
Jagdhütte und dem deponierten Rucksack zurück - und nachdem der Abstieg besser geklappt hat als befürchtet, bleibt mir nun ausreichend Zeit dort etwa zwei Stunden im Schatten zu liegen und die Tour nachzusinnieren. Kaum aufgebrochen, möchte es der fast unglaubliche Zufall wohl, daß ausgerechnet hier jemand herauf steigt - ich streife mir doch schnell die Short über... - und wie sich nach einem kurzen Austausch über die Verwunderung dieser Begegnung an diesem üblicherweise sehr einsamen Ort herausstellt (bei der Begegnung auf dem Wandersteig wär's wahrscheinlich nur ein knappes Servus im Vorbeigehen geworden...), es tatsächlich der Autor der eingangs referenzierten Ideen-Beschreibungen ist. Wir müssen jedoch unser Gespräch abbrechen, denn uns beiden läuft die Zeit davon - Stefan ist nun motiviert, heute noch "seine" Route durch die Nordflanke auch im Abstieg zu begehen (am Tag darauf wird er seine Beschreibung im Abstiegssinne ergänzen) und mir, weil im Tal der Bus zu erwischen ist. Und so - kaum wieder außer Sichtweite - ziehe ich die Short wieder aus und beeile mich den kleinen Steig hinab zu laufen. Bei der Einmündung in den Forstweg bin ich bereits fast zurück in der "Zivilisation" und muß mich entsprechend wieder anziehen. An diesem warmen Nachmittag freue ich mich aber über die deponierte, wirklich kühle Getränkedose, die meine Wartezeit beim Umsteigen draußen im Achental verkürzen wird, denn der Bus hat leichte Verspätung, die er bis Tegernsee (an diesem Tag ist dort Seefest) noch weiter ausbaut, jedoch der EDEKA versorgt mich kurz vor Ladenschluss um 19 Uhr noch mit zwei Flaschen lokalem Tegernseer Bier und ausgleichendem Knabbermaterial für die nächste Wartezeit. Nach einem funktionierenden Umstieg bin ich dann mit der einbrechenden Nacht wieder zuhause - ich konnte leider nicht spontan verlängern, aber wie's wohl dem Stefan an diesem späten Nachmittag noch am Guffert ergangen ist?
Dieses Foto via Selbstauslöser entstand eine Woche später auf dem Guffert-Westgrat PS: Eine Woche später war ich tatsächlich wieder an diesem Berg unterwegs und habe im Gelände noch andere mögliche Aufstiege getestet. Wen es wirklich interessiert, findet mit
06./07.08.2024: Brandenberger Alpen: 2x Guffert-Westgrat und mehr... noch weitere Eindrücke vom freien Bergsteigen - und dies am Besten "NaturNah", also nackt.
Da ich an beiden Tagen jeweils zu einer gewissen "Unzeit" auf den Touri-Hauptgipfel gekommen bin, konnte ich diesen ebenso nackt überschreiten - und am Ende des zweiten Tages - wieder auf dem Forstweg zur Bushaltestelle angekommen - ist mir das Anziehen von Klamotten merklich schwer gefallen...
