Ich bin Witwer (62) und hatte bislang mit FKK nicht viel am Hut. Als Hobbyfotograf interessiert mich allerdings das Thema Aktfotografie. Und irgendwann stellte ich mir die Frage, wie ich es denn mit der eigenen Nacktheit halte, wenn ich mir von anderen die Bereitschaft zu Aktaufnahmen wünsche. Auch, wenn es natürlich zwei oder gar drei verschiedene Dinge sind, einfach nur nackt zu sein, sich nackt zu zeigen oder sich gar nackt ablichten zu lassen.
Natürlichkeit, Unbefangenheit und ein Gefühl von Freiheit fand ich dabei besonders erstrebenswert. Dem entgegen standen meine Erziehung und Erfahrung, das Fehlen von FKK-affinen Menschen in meinem Leben und mein Schamgefühl. Doch irgendwie beschäftigte mich das Thema und reizte mich der Gedanke, das Nacktsein einfach einmal auszuprobieren.
Der Zieselsmaarsee bei Hürth war die Location meiner Wahl. Und so wagte ich den Schritt, der mich letztlich doch nur eine mäßige Überwindung kostete. Es handelt sich um eine weitläufige, von Wald umgebene und verkehrsgünstig gelegene Location. Es gibt einen Weg um den See, eine große Liegewiese, diverse Sporteinrichtungen, einen Kinderspielplatz, einen Kiosk, einen Aufenthaltsraum sowie Duschen und Toiletten. Dafür erscheint ein Eintrittspreis von 5 Euro mehr als nur moderat. Der See soll rund um die Uhr geöffnet sein, ausprobiert habe ich das noch nicht. Ja, das Wasser des Sees ist rot gefärbt, aber Verfärbungen an Haut oder Handtüchern konnte ich - jedenfalls nach dem Duschen - nicht feststellen, obwohl ich sogar mal unbedacht ein helles Handtuch benutzt habe.
Zu keiner Zeit konnte ich irgendwelche Hinweise auf Vorbehalte gegenüber männlichen Singles feststellen, weder von den Betreibern noch von anderen Besuchern aus. Ich verstehe aber, dass das offenbar in anderen Einrichtungen dieser Art anders sein kann, in denen man schlechte Erfahrungen mit ausschließlich voyeuristisch ambitionierten Leuten gemacht haben muss.
Nun, zum Glotzen gab es weder Anlass noch verspürte ich die Neigung dazu. Schließlich gilt "Was du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu!" Die ganze Sache ist im Grunde denk- und erwartbar unspektakulär und banal: Es ist einfach nur ein schön gelegener Badesee. Einzige Besonderheit: Hier sind alle nackt und das stört hier absolut niemanden. Und doch war es - gerade wegen dieser ungewohnten Selbstverständlichkeit irgendwie faszinierend, wohltuend und befreiend, ja fast schon euphorisierend für mich, eben völliges "Neuland".
Der See war an diesem sehr heißen Tag sehr gut besucht, überwiegend von Männern. Aber natürlich waren auch viele Frauen und auch einige Familien mit Kindern da. Überhaupt waren den Gästen Menschen jedes Alters und aller denkbaren Körpermaße und -formen. Ich sah blasse und gebräunte, durchtrainierte und weniger athletische Gestalten beiderlei Geschlechts.
Dieses Idyll schien mir ein bisschen von einer anderen Welt zu sein.
Während im normalen Leben Nacktheit Aufsehen, gar Entsetzen oder Beschwerden hervorrruft, fielen hier eher die noch bekleideten Neuankömmlinge auf, die sich ihren Platz suchten. Die angenehme Tatsache, dass man als Nackter unter Nackten in der Masse untergeht und mehr oder weniger uninteressant für die Anderen wird, erleichterte mir meinen ungewohnten Zustand und mehr noch, sie erlaubte es mir, ihn ungeniert zu genießen. Der Schritt aus der eigenen Komfortzone hat sich für mich definitv gelohnt!
Nette Kontakte, von denen in anderen Erfahrungsberichten die Rede war, konnte ich zwar leider (noch) nicht knüpfen, aber ich war ja auch erst zweimal und jeweils nur für ein paar Stunden dort. Begegnungen auf dem Weg um den See fielen dann doch eher knapp und reserviert aus, so besonders kontaktfreudig bin ich im normalen Leben auch nicht und in dieser für mich ungewohnten Situation erst recht nicht. Man will sich ja schließlich auch niemandem aufdrängen.
Unter dem Strich erlebte ich schöne, sonnige Stunden am Zieselmaarsee, die Genugtuung der Selbstüberwindung, eine ungewohnte, wie gesagt fast surreal anmutende Situation und Umgebung sowie ein überwältigendes, geradezu euphorisierendes Freiheitsgefühl. Eine Erfahrung, die auch ein neues Licht auf mein Thema Aktfotografie wirft. Tatsächlich verschiebt sich mein Fokus gerade weg von fremder, hin zu meiner eigenen Körperlichkeit und Nacktheit. Auch aus einer erfolgreichen Diät in Verbindung mit sportlicher Aktivität resultiert ein ganz neues Körper- bzw. Selbstbild und Selbstbewusstsein.