Ich verstehe zwar die Motivation, sehe die ganze Aktion aber trotzdem auf mehreren Ebenen äußerst skeptisch. Und zwar gar nicht mal so sehr wegen der absoluten Chancenlosigkeit eine 2/3-Mehrheit des Bundestages (und auch des Bundes
rates!) dafür zu gewinnen, sondern inhaltlich.
Mein Hauptproblem mit der Petition ist, dass sie meiner Meinung nach gleich mehrfach "das Pferd von hinten aufzäumt":
(1) Unter den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, welche derzeit einer größeren Verbreitung der FKK [1] entgegenstehen ist die
Rechtslage bzgl. Nacktheit in der Öffentlichkeit wohl eines der kleineren Probleme. Die Einstellung der Mehrheitsgesellschaft zu dem Thema ist da m.E. derzeit ein wesentlich größeres Hindernis. Und die lässt sich nicht per Verfassungsänderung beeinflussen. Man vergleiche z.B. Art. 3 (3) GG mit der gesellschaftlichen Realität...
(2) Selbst wenn man auf den hier oft zitierten, aber selbst theoretisch nur für einen kleinen Bruchteil der FKK-Anhänger [2] relevanten, §118 OWiG (
https://www.gesetze-im-internet.de/owig_1968/__118.html) abzielt, so wäre eine Änderung eines Grundrechtsartikels der Verfassung m.E. etwas "mit Kanonen auf Spatzen geschossen". Da wäre eine Klarstellung in entsprechenden Gesetz, dass einfache Nacktheit in der Öffentlichkeit nicht "grob ungehörig" ist, sehr viel zielführender. Aber wahrscheinlich genauso illusorisch.
(3) Ich fände es generell problematisch einen derart spezifischen Aspekt in einen Grundrechtsartikel der Verfassung reinzuschreiben. Ich denke das hängt das Thema einfach viel zu hoch.
Wenn man denn über Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen reden will, dann gäbe es ein ganz anderes Feld in dem Änderungen evtl. wirklich einen praktischen Nutzen haben könnten: Den besseren Schutz vor der Erstellung und Verbreitung von Nacktbildern(und Videos) gegen den Willen der Betroffenen.
§23 KunstUrhG (
https://www.gesetze-im-internet.de/kunsturhg/__23.html) verbietet zwar in den meisten Fällen die
Verbreitung entsprechender Aufnahmen, aber eben nicht deren Erstellung. Und wie rezente Fälle zeigen greift da auch §201a StGB ("Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen",
https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__201a.html) häufig ins Leere, u.a. wegen der sehr engen Auslegung des Begriffs " gegen Einblick besonders geschützter Raum". Ob sich entsprechende Gesetzesverschärfungen (z.B. Komplettverbot von Nacktaufnahmen ohne Zustimmung der Betroffenen) dann auch effektiv durchsetzen ließen, stünde natürlich auf einem anderen Blatt...
Und als letztes: Auch als "Denkanstoß" hätte ich Bedenken dass die Aktion nach hinten los geht. D.h. dass der Vorschlag von außen betrachtet ziemlich absurd wirkt und dadurch den Blick der "Außenstehenden" auf die FKK-"Szene" eher noch negativ beeinflusst.
[1] Ich verwende "FKK" hier im umgangssprachlichen Sinn, d.h. allgemeines Nacktbaden, -sonnen, -campen, -wandern u.s.w.
[2] Es gibt in Deutschland selbst nach konservativen Schätzungen 2-3 Millionen FKK-Anhänger. Wie viele davon sind, z.B. im Rahmen von Nacktwanderungen o.ä. nackt außerhalb offizieller oder zumindest etablierter Bereiche? Ein paar Tausend?