Im Nachgang zu diesem Urteil ist heute ein Bericht zum Thema Nacktheit in der Süddeutschen.
Der liest sich recht positiv. Da der hinter der Bezahlschranke ist, hier nur Auszugsweise die relevanten Absätze
Süddeutsche hat geschrieben:Wenn der Vermieter nackt im Hof liegt
Textilfreies Sonnenbaden, Wandern nur mit Schuhen bekleidet, Schwimmen ohne Oberteil: Wer für seinen Körper Freiheit beansprucht, landet schnell mal vor Gericht. Doch auch die Empörung der anderen hat ihre Grenzen.
Grundsätzlich darf man sich zu Hause geben, wie man will. Auch im Garten
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Wobei gegen das Sonnenbaden im eigenen Garten nun wirklich nichts einzuwenden ist, ob mit oder ohne Hose. Das Amtsgericht Merzig hat schon vor bald 20 Jahren entschieden, man dürfe einer Mieterin wegen ihrer textilfreien Sonnenbäder nicht kündigen, nur weil sich das Dorf darüber das Maul zerreißt. Es mag zwar auch auf dem eigenen Anwesen Grenzen der Nacktheit geben, etwa auf einer frei einsehbaren Terrasse neben dem Kinderspielplatz. Aber grundsätzlich darf man sich zu Hause geben, wie man will, frei von Konventionen und eben auch von Kleidern.
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In dem Beschluss fand sich die bis heute zutreffende Bemerkung, dass "zweifellos die Darstellung des nackten menschlichen Körpers an sich weder unanständig noch obszön ist". Dennoch hat sich die Sorge um die guten Sitten lange gehalten. Bis vor Kurzem galt in Schwimmbädern ganz selbstverständlich ein Oben-ohne-Verbot für Frauen. Aber nach einem Brustverhüllungsstreit im Göttinger "Badeparadies Eiswiese" hat die niedersächsische Stadt vergangenes Jahr die Regeln geändert: Der freie Oberkörper ist erlaubt, für Männer wie für Frauen, wenn auch nur am Wochenende. Die Berliner Bäderbetriebe haben ebenfalls ihre Haus- und Badeordnung entsprechend geändert, auch in München werden die Regeln gelockert. Es geht nur um ein paar Quadratzentimeter Stoff, umso großflächiger ist der Kulturwandel: Einst war die Oben-mit-Regel ein Gebot des Anstands. Heute ist sie eine Diskriminierung.
Richtig schwierig wird es im öffentlichen Raum. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist das Zentralgrundrecht einer individualisierten Gesellschaft. Jeder und jede möchte besonders sein, unterscheidbar, singulär; dafür nimmt man sogar ästhetische Einbußen hin. Und manchmal heißt Entfaltung eben auch Entkleidung. Aus Spanien wurde kürzlich berichtet, dass ein 29-jähriger Informatiker ein Bußgeld zahlen sollte, weil er gern durch sein Dorf Aldaia spazierte, nur mit Schuhen und Socken bekleidet. Er wollte niemandem etwas Böses, er fand einfach, das gehöre zu seiner Freiheit. Und was soll man sagen: Ein Gericht in Valencia gab ihm in zweiter Instanz recht. Weder ein Gesetz noch eine kommunale Verfügung verbiete den Nacktspaziergang, also dürfe er nicht bestraft werden. Immerhin will sich der Nacktgänger nun auf zwei Straßen beschränken.
Der Fall illustriert, wie schwer die öffentliche Nacktheit juristisch zu greifen ist. Gewiss, in Deutschland gibt es den Paragrafen 183 Strafgesetzbuch, der Exhibitionismus verbietet. Doch dort geht es um Entblößung aus einer sexuellen Motivation heraus, die man dem durchschnittlichen Nacktwanderer sicher nicht andichten darf.
Also bleibt den deutschen Behörden nur Paragraf 118 Ordnungswidrigkeitengesetz, der die "grob ungehörige Handlung" untersagt. Doch schon der Begriff strotzt nur so vor moralischer Empörung, man ahnt, da geht es nicht um echte Gefahren für die Allgemeinheit. So hätte die Nackt-Radel-Aktion, die 2005 im Raum Karlsruhe geplant war, vermutlich niemandem geschadet; die einen hätten den Kopf geschüttelt, die andern hätten sich amüsiert. Trotzdem schritt das Verwaltungsgericht Karlsruhe ein, untersagte das Event und erläuterte: Eine grob ungehörige Handlung "liegt dann vor, wenn die Handlung in einem so deutlichen Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung steht, dass sie jeder billig denkende Bürger als eine grobe Rücksichtslosigkeit gegenüber jedem Mitbürger ansehen würde". Ein Richterspruch mit moralischem Überschuss, dazu klingt er wie ein klassischer Zirkelschluss: Es ist grob ungehörig, weil es grob ungehörig ist. In der Praxis reagieren die Behörden auf Nackte in Innenstädten mitunter mit Platzverweisen und Bußgeldern. Wer dagegen nackt durch einsame Wälder wandert, bleibt meist unbehelligt.
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