Tim007 hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Aber welches Verhalten als sittlich oder unsittlich zu werten ist, darüber entscheiden Gerichte, die sich meistens einig mit der Meinung im Volk wissen. Als gäbe es Art. 2 GG nicht, haben sie Homosexuelle mehr als 20 Jahre weiter zu Gefängnisstrafen verurteilt wie zuvor in Nazideutschland.
Gerichte sind an Gesetze gebunden, die von der Legislative als Vertreterin des Volkes beschlossen worden sind. Und der alte § 175 StGB sah entsprechende Strafen vor.
So argumentiert jemand, der es sich leicht machen will.
Diskriminierung aufgrund des Sittengesetzes – Zitat (Fettschreibung durch mich):
Doch nicht nur die Politik, sondern auch die Justiz hat maßgeblich dazu beigetragen, dass zwischen 1946 und 1994 noch weit mehr als 50.000 Strafurteile auf Grundlage des § 175 StGB ergingen. Wie weit die Justiz den Paragraphen ohne Not auslegte, zeigt etwa ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 1953. Entscheidungserheblich war dabei die Frage, ob gemeinsames (nicht: gegenseitiges) Onanieren bereits eine sexuelle Handlung im Sinne der §§ 175, 175a darstelle. Die Antwort lag für das Gericht auf der Hand, indem es Grundsätze der Pädophilenstrafbarkeit 1:1 auf die Strafbarkeit Homosexueller übertrug:
Zur Vornahme unzüchtiger Handlungen mit einem Kinde genügt es nach der Rechtsprechung, dass der Täter dessen Körper als Mittel benutzt, Wollust zu erregen oder zu befriedigen. Dazu gehört nicht, dass er den Körper berührt. Vorausgesetzt wird nur, dass er ihn sonstwie in Mitleidenschaft zieht.
[…]
Danach setzen die §§ 175, 175 a StGB nicht voraus, dass der Täter den Körper des anderen Mannes bei seinem unzüchtigen Treiben berührt. Es genügt, dass der Täter eine Beziehung zwischen dem eigenen unzüchtigen Treiben und dem Körper des anderen Mannes schafft, dessen Körper auf diese Weise an dem gesamten unzüchtigen Vorgang teilhaben lässt und so in Mitleidenschaft zieht.
BGH, Urt. v. 22.09.1953, Az. 2 StR 160/53
Wenige Monate später erklärte der BGH hierauf aufbauend auch das bloße Zuschauen beim Geschlechtsverkehr zweier anderer Männer zur Straftat:
Umsomehr ist beim Triolenverkehr unter Männern, wie es hier festgestellt ist, ein Unzuchttreiben des sog. Triolisten, d. h. des lediglich zuschauenden Mannes, jedenfalls dann anzunehmen, wenn er die beiden anderen Männer oder auch nur einen von ihnen zum Mitmachen bestimmt hat.
BGH, Urt. v. 13.11.1953, Az. 2 StR 456/53
(…)
Etwas knapper kommt das BVerfG auch auf die Frage zu sprechen, ob das Verbot von Homosexualität überhaupt rechtmäßig sein kann. Die in dem Verbot liegende Beschränkung der persönlichen Handlungsfreiheit begründete das Gericht seinerzeit unter Verweis auf Art. 2 Abs. 1 GG, der dem Einzelnen persönliche Handlungsfreiheit (übrigens bis heute) nur gewährt, "soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt". Letzteres sei aber "eindeutig" der Fall, was sich unter anderem aus der diesbezüglichen Haltung der Kirchen ergebe:
Das persönliche sittliche Gefühl des Richters kann hierfür nicht maßgebend sein; ebensowenig kann die Auffassung einzelner Volksteile ausreichen. Von größerem Gewicht ist, daß die öffentliche Religionsgesellschaften, insbesondere die beiden großen christlichen Konfessionen, aus deren Lehren große Teile des Volkes die Maßstäbe für ihr sittliches Verhalten entnehmen, die gleichgeschlechtliche Unzucht als unsittlich verurteilen.
BVerfG, Urt. v. 10.05.1957, Az. 1 BvR 550/52
Das zeigt, dass es beinahe gleichgültig ist, wer sich das nicht in Schriftform existierende Sittengesetz zu eigen macht, denn sowohl die Politik als auch die Justiz agieren nicht im luftleeren Raum, sondern sind dem Volk verpflichtet, das denkt, wie es eben denkt bzw. was ihm gesagt wird, dass es denken soll.
Das habe ich auch in meinem Beitrag vom
Sa 30. Okt 2021, 18:16 versucht deutlich zu machen, in dem ich zum Thema Homosexualität und Gerichte schrieb – Zitat:
Das war von der Mehrheit des Volkes auch so gewollt, und als man daran ging, endlich diesen Ballast der Geschichte abzuwerfen, waren ganz bestimmte Teile des Volkes dagegen. Es waren übrigens die gleichen Teile, die jetzt in Polen den Lauf der Geschichte zurückdrehen wollen – …Welche Teile der Gesellschaft das waren und sind, ist uns allen bekannt, aber das auch offen zu sagen, wie ich es tue, bringt Menschen wie Tim007 auf die Palme, die zuerst andere warnen, auf das Gesagte einzugehen, um sich später auf das Formale zurückzuziehen, auf dass die wahren Ursachen nicht sichtbar werden.