@ Aria
Ich sehe nicht, dass ich irgendetwas vermengt bzw. „den Pfad zur Pädagogik und Politik von Adolf Koch“ verfehlt habe, zumal Koch zu Beginn des ersten Weltkrieges erst 17 Jahre alt war.
Bei der Betrachtung der Geschichte muss man sich auf die geschichtlichen Fakten konzentrieren und dieses aus der Sicht derjenigen, um die es geht. Wir reden hier von der Geschichte der FKK und dieses aus der Sicht der FKK'ler.
Nicht die wissenschaftliche oder sonstige theoretische Definition der FKK ist wichtig, sondern das, was Menschen daraus umsetzen und tun.
Wenn es um die Intention geht, dann muss ich den geäußerten Willen betrachten und darstellen. Sofern sich im Verhalten der FKK'ler eine Änderung entwickelt hat, muss ich dieses als solches darstellen.
Indem die FKK-ler den moralischen Anspruch der Gesellschaft für sich nicht akzeptieren, stellen sie diesen infrage, sind also im Konflikt mit ihr.
Ich habe ausgeführt, dass die FKK'ler die Moral der Gesellschaft nicht angegriffen haben und angreifen wollten. Ihre moralischen Wertvorstellungen entsprachen den Wertvorstellungen ihrer Zeit. Wenn du hier das Wort moralischen Anspruch gegen den Begriff zivilisatorischen Anspruch austauscht, sind wir wieder völlig deckungsgleich.
Man kann natürlich sagen, die FKK versuche die Gesellschaft durch ihr Beispiel von dem moralischen Ballast zu befreien, aber Fakt ist, sie stellt sich damit außerhalb dieser Gesellschaft: FKK-ler werden zu Exoten, die toleriert werden, solange sie nicht versuchen, größere öffentliche Räume zu besetzen – die Gerichtsurteile gegen Nacktradlerdemonstrationen sprechen eine deutliche Sprache.
Die Moral bewertet einen Gegenstand, einen Sachverhalt an sich und fällt dann in der Regel ein generalisiertes Urteil. Wenn es von dem generalisiertem Urteil abweicht, dann muss ein übergeordneter Wertbegriff hierfür angeführt werden. Zivilisatorische Sachverhalte kennen hier ergänzend noch den Begriff der Angemessenheit. Ob und wann ich welche Kleidung in welchem Umfange trage oder eben nicht trage ist eine Frage der Angemessenheit. Mir ist es durchaus bewusst und bekannt, dass diese Unterscheidung auch zum Beginn des 20. Jahrhunderts oftmals nicht getroffen wurde. Aber eine fehlerhafte Argumentation kann eine korrekte Betrachtung nicht aus den Angeln heben. Der Dissens zwischen uns beiden besteht nicht in der Beschreibung des Sachverhaltes, er besteht nur in der Bewertung desselben. Im Gegensatz zu mir triffst du keine Unterscheidung zwischen einem moralischen und einem zivilisatorischen Anspruch. Bei der Betrachtung von Gerichtsurteilen musst du stets beachten, dass das Gericht nur Sachverhalte ahnden kann, wenn ein entsprechendes Gesetz dieses auch zum Zeitpunkt des Handels dieses vorsieht. Es mag dir jetzt völlig abwegig erscheinen. Bei den Urteilen bezüglich der Nacktradlerdemonstrationen wurde nicht die Nacktradlerdemonstration als solches beurteilt, sondern die hierdurch ausgelöste Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (was man auch darunter verstehen will und kann). Es wird also nicht das Nacktradeln als solches geahndet, denn es gibt keine Vorschrift, die das Tragen einer Kleidung beim Radeln zwingend vorschreibt. Geahndet wird ein Eingriff in die öffentliche Ordnung und Sicherheit, wobei dieses für sich schon ausgesprochen rechtlich umstritten ist.
Die Vermengung von Intention und Bewertung kannst du in deinem folgenden Satz erkennen:
Nacktkultur war eine der radikalsten Bewegungen, stand bei ihr der Körper, zumal der nackte Körper im Mittelpunkt: Befreiung aus den Zwängen der Kleidung und gleichzeitig auch aus den Zwängen der Kultur, sprich der Prüderie, doppelter Moral und falscher Scham.
Die Intention hier lautet:
Nacktkultur war eine der radikalsten Bewegungen, stand bei ihr der Körper, zumal der nackte Körper im Mittelpunkt: Befreiung aus den Zwängen der Kleidung und gleichzeitig auch aus den Zwängen der Kultur, ...
Der Körper wurde in seiner Gesamtheit betrachtet und nicht nur der unbekleidete Körper. Das Wort Kultur kann ohne Probleme mit dem Begriff der Zivilisation gleichgesetzt werden. Hier sind die Bedeutungen dieser beiden Begriffe identisch. Und dann folgt der bewertende Kommentar:
sprich der Prüderie, doppelter Moral und falscher Scham.
Dieser bewertende Kommentar ist völlig korrekt, beschreibt aber nicht die Intention als solches, beschrieben und bewertet wird eine Konsequenz, die jedoch nicht Inhalt der Intention ist. Ich will dieses an einem Beispiel verdeutlichen. Wenn ich ein Flachdach vom Schnee befreie, weil die Last zu groß wird und das Flachdach einzustürzen droht, dann geht es mir nicht um den Schnee als solchen, sondern um die Last, die abgetragen werden muss. Im Fokus steht hier nicht der Schnee als solches, sondern die Last, die auf dem Dach liegt.
Auch ist es mir nicht möglich, aus den Beiträgen in diesem Thread die Vorstellungswelt, die Ideen und das Konzept eines Adolf Koch heraus entwickeln und darstellen zu können.
Sorry, hier habe ich etwas unsauber Argumentiert. Es ging mir darum, dass ein Adolf Koch zwischen den beiden Weltkriegen seinen Ansatz im Kontext zu den Intentionen seiner Vorgänger aus der wilhelminischen Zeit heraus entwickelte. Der hier bislang in diesem Thread geführte Diskussionsverlauf lässt eine derartige Verbindung zu der Intention von Adolf Koch nicht zu. Aber deine Vorstellung der Geschichte der FKK endet ja mit dem ersten Weltkrieg und somit vor der Theoriebildung von Adolf Koch.
Wenn ich die Geschichte der FKK in verschiedene Phasen einteilen würde, so würde ich folgendes sagen:
Phase 1, Gründungsphase und Ausbildung der Intentionen, Wilhelminische Zeit
Phase 2, Entwicklung und Ausprägung in seiner Vielfalt, Weimarer Republik
Pahse 3, Nachglühen, Reduzierte Aktivitäten, teilweise Wiederbesinnung, Nach dem II. Weltkrieg
Über die Phase 2 und 3 in der Geschichte der FKK haben wir hier noch nicht gesprochen.