Bummler hat geschrieben:"Oben ohne" bleibt also in Berlin ein Problem.
Und das im einst sehr liberalen Berlin!
Ich nehme ein Zitat aus einem Beitrag von
regenmacher, den er am Sonntag 5. Sep 2021, 23:05 in einem anderen Thread schrieb, zum Anlass, ein paar grundsätzliche Gedanken niederzuschreiben. Und um nicht wieder von Intim… zu reden, habe ich das inkriminierte Wort in dem Zitat durch X ersetzt:
regenmacher hat geschrieben:Es mag falsch sein, da einen Zusammenhang zu sehen, aber so lange jemand da einen Zusammenhang sieht, wird er oder sie verständlicherweise zu einer Ablehnung von X kommen.
Klar, aber warum ist dem so? Weil alles, was mit der Sexualität zusammenhängen kann oder auch nur so erscheint in dieser Gesellschaft – und nicht nur in dieser – als so heilig angesehen wird, dass jede Erwähnung oder Andeutung als Sakrileg erscheint. Gleichzeitig aber haftet der Sexualität etwas Anrüchiges an, was ich als Folge der Jahrhunderte währenden religiösen Indoktrination deute: Sex sei nur zur Zeugung von Kindern innerhalb der Ehe erlaubt, alles andere ist Sünde. Es wurde und wird nach wie vor gelehrt, dass selbst wer eine Frau nur ansieht, um sie zu begehren, hätte in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen. (Mt 5,28)
Insofern war es nur konsequent, was noch vor 100 Jahren galt: Frauen – und eine Zeitlang auch Männer – mussten brustbedeckende Badesachen tragen, die dunkel sein mussten, damit auch im nassen Zustand nichts von darunter liegenden Körperteilen erkennbar war. Alles, um die Männer nicht auf die natürlichen, aber angeblich falschen Gedanken zu bringen.
Zu gleichen Zeit hat sich aber eine FKK-Szene etabliert, die nach anfänglicher Empörung der weiterhin Textiltragender toleriert wurde. Oder besser: Sie wurden von Gerichten dazu gezwungen, die Nackten zu tolerieren.
Die FFK-Bewegung entstand u.a. als Protestbewegung gegen die als zu rigid empfundenen moralischen Vorschriften der Gesellschaft. Das war im Kaiserreich, der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik bis in die 1960er Jahre der Fall. Als diese in den 1970er gelockert wurden, etablierte sich nach und nach eine inoffizielle FKK-Szene: Nacktbaden konnte man praktisch überall dort, wo es wenig anderes Publikum gab.
Ab der Mitte der 1980er Jahren wurde die Gesellschaft konservativer, was aber zunächst keine Auswirkungen auf die FKK-Szene hatte. Doch bald ging man gerichtlich gegen FKK-Zeitschriften vor, die bis dahin offen in Kiosken auslagen. Das gerichtliche Vorgehen gegen FKK-Zeitschriften gab es auch am Anfang der FKK-Bewegung, d.h. in den ersten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts.
Jedenfalls: Seit den 1990er Jahren gibt es keine FKK-Zeitschriften mehr oder nur noch in den Sex-Shops. Seitdem ist Nacktbaden wieder dort, wo es schon einmal war: Es wird wieder deutlich mit Sex in Verbindung gebracht. Warum? Weil sich moralischen Maßstäbe der Gesellschaft - u.a. erkenbar in Gerichtsurteilen - verändert haben. Deswegen sagen Jugendliche und junge Erwachsene: Nacktbaden? Igitt!
Und das nicht, weil sie keine perfekten Körper haben – wer hat sie schon je in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten gehabt? –, sondern weil die Gesellschaft die Nacktheit jetzt anders sieht als noch in den 1970er Jahren.