Aria hat geschrieben:Karl Lauterbach ... , aber was er sagt, hat Hand und Fuß, weil er gut in der Wissenschaft vernetzt ist und deswegen oft Studien kennt, die kurz vor Veröffentlichung stehen
Daran zweifle ich überhaupt nicht! Gut informiert zu sein ist ja erst einmal die Grundvoraussetzung, so intensiv mitreden zu können, ohne dass einem wegen falscher Grundlagen gleich alles um die Ohren gehauen wird.
Aber eine andere Sache sind immer die Interpretation der Fakten in Bezug auf die infektionsdynamischen Auswirkungen und die Schlussfolgerungen daraus. Beispielsweise bei den ersten Daten, die bei der ersten englischen Mutante aus England gemeldet wurden: Die Daten basierten auf so kleinen Zahlen, dass die Fehlerbreite der Steigerung der Infektiösität im Falle einer statistischen Signifikanzberechnung von Null bis zu mehreren hundert % gereicht hätte. Aber man hat aus England mit diesem geringen Zahlenmaterial gemeldet: "170% stärker infektiös".
Die Zahl sollte sich auf den R-Wert unter identischen Rahmenbedingungen beziehen, also dann das 1,7 fache gegenüber dem vorherigen Stamm. Dann hieß es, die Verläufe könnten schwerer sein und die Impfung möglicherweise nicht wirken. Damals habe ich gehört was Lauterbach daraus gemacht hat, und das klang nach Panikmache. Damals habe ich auch Drosten gehört, der sowohl an den 170% gezweifelt hat, als auch an einer Unwirksamkeit der Impfung und im Nachhinein hatte er mit beiden Punkten recht. Es ist eben die Frage, was man mit solchen Erst-Informationen macht, wie man sie interpretiert, und ob man die mögliche Fehlerbreite und damit die Unsicherheit der Aussage wahrnimmt.
Aus rein wissenschaftlichen Überlegungen hatte ich mich in Diskussionen der Meinung von Drosten angeschlossen, weil sie aus fachlicher (biochemischer und virologischer) Sicht erklärbar und logisch war. Am Ende hat man nach Ausbreitung des Stammes bei uns die Erhöhung der Infektiösität mit viel mehr Zahlenmaterial, also statistisch besser ermitteln können, und man kam auf rund 130%. Das ist ein so geringer Unterschied, der
bei Einhaltung der Schutzmaßnahmen gar nicht wirksam wird. Und natürlich war die Impfung voll wirksam so wie nach allen bisherigen Erkenntnissen auch gegen die neue delta-Variante.
Und wenn jetzt die Engländer wieder so in Panik verfallen wegen der delta-Variante, weil nach den ersten Zahlen mit riesiger statistischer Unsicherheit, wieder jemand eine hohe Gefährlichkeit vorausgesagt hat, bis hin zur Aussage, diese Variante könnte der Startpunkt zur nächsten Welle sein, dann ist das typisch für deren Schwanken zwischen Extremen.
Meine Meinung ist dagegen, dass die delta-Variante ein Beginn der normalen Virus-Evolution ist in die Richtung, dass er weniger Schaden anrichtet und sich deshalb natürlich besser ausbreiten kann. Weniger Schaden anrichten bedeutet ja, dass es mehr unbemerkt infizierte gibt, die den Virus verbreiten. Und das ist nun mal der Normalzustand, den jeder Virus, der sich von Mensch zu Mensch stark verbreitet, mit seiner Evolution irgendwann erreicht. Bei der Grippe sind es ja wenigstens 50%, die nach Infektion kaum oder nicht krank werden, aber kurzzeitig die Infektion übertragen können. So wird auch bei Corona jede Mutation, die sich dadurch stärker ausbreiten kann, weil sie weniger Schaden anrichtet und häufiger kaum oder unbemerkt bleibt, die vorherigen Virus-Stämme mit der Zeit verdrängen. Das ist normal. Das haben auch manche Virologen schon vor einem Jahr vorausgesagt.
Und solche Mutationen sind nun mal kein Grund zur erneuten Panikmache, nur weil man einen etwas höheren R-Wert bestimmt hat. Noch einmal zur Wirkung der Impfung: Alle Hersteller von mRNA oder Vektor-Impfstoffen haben den Gen-Code für das Anheftungsprotein gewählt. Ein klassischer Impfstoff besteht dagegen aus einer bunten Mischung von Bruchstücken sämtlicher Virusteile. Damit gibt es beim klassischen Impfstoff eine gemischte Immunantwort gegen viele verschiedene Komponenten, aber gegen keine so konzentriert, wie bei den neuen Impfstoffen gegen das Anheftungsprotein. Wenn eine Virusmutation dieses Protein betrifft, dann wird es fast immer in seiner Wirkung so beeinträchtigt sein, dass die Anheftung an die Zellen nicht mehr funktioniert. Es gibt unter vielen hunderten Millionen Mutationen dieses Proteins ganz selten mal eine, bei der die Anheftung trotzdem noch funktioniert, aber dann die Immunerkennung (also Wirkung der Impfung) geschwächt würde.
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Deshalb ist es der gegenüber Mutationen stabilste Bestandteil des Virus und deshalb hatten alle Hersteller denselben Gedanken: Auf dieses wird die Impfung gerichtet.
Deshalb war meine erste Aussage, als jemand an der Wirksamkeit der Impfung gegen die erste englische Mutante zweifelte: "das glaube ich nicht, die Impfung wird genauso wirksam sein." Und dieselbe Voraussage hatte ich sofort getroffen, als die ersten Meldungen der delta Variante kamen - und diese Voraussage war wieder zutreffend. So wird es weiterhin sein, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ich damit falsch liege, nicht höher ist, als ein Sechser im Lotto.
Und ich hoffe, dass BionTech oder Curevac demnächst auch einen mRNA-Impfstoff gegen Grippe entwickeln, denn der, und das ist jetzt wieder meine persönliche Voraussage, wird eine höhere Wirksamkeit haben, als die klassischen Impfstoffe und er wird auch in der Wirkung länger anhalten.