Hans H. hat geschrieben:Wenn ich mal einen Ausspruch von Max-Planck aus seiner Rede bei seiner Emeritierung nehme und ihn etwas ummünze, und zwar beziehe ich ihn jetzt nicht wie er sagte auf "den Fortschritt in der Wissenschaft", sondern die Weiterentwicklung der Gesellschaft, dann klingt der in etwa so:
Der Fortschritt in der Gesellschaft kommt nicht daher, dass die Jungen von den Alten lernen, sondern daher, dass die Alten gehen". Das sollten sich diejenigen vor Augen halten, die immer und ständig irgendwelchen Werten oder Regeln von früher nachheulen.
Wie ich so bin, habe ich das mal gegoogelt und hoffentlich das Zitat im Original gefunden:
Max Planck hat geschrieben:Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, daß ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, daß ihre Gegner allmählich aussterben und daß die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht ist.
Quelle:
https://beruhmte-zitate.de/autoren/max-planck/
Wenn man sich das Zitat so durch den Kopf gehen lässt, dann ist das ja an sich problematisch. Warum? Weil der Anspruch an Wissenschaft eben nicht Personengebunden ist, sondern Faktengebunden sein sollte.
Also ist das Zitat aus meiner Sicht eher verstörend. Ich meine, wir sind es doch eigentlich gewöhnt auf einer nachprüfbaren Faktenlage zu argumentieren, Nun stellt Planck fest, das dies nicht so ist, sondern die Wissenschaft an Personen gebunden ist?
Ich meine, wenn ich jetzt die Wissenschaft verlasse und mich in den Bereich der Technologie begebe, da ist das tatsächlich so, dass sich neue Technologien vor allem durch neue Generationen durchsetzen, weil die das so schon gelernt haben. Das war seinerzeit bei mir die Finite Elemente Methode und ist in der heutigen Generation das Building Information Modeling.
Aber!
Die Übertragung solcher Zitat auf die Gesellschaft ist für mich problematisch. Weil es natürlich auch Dinge gibt, die unabhängig von dem Neuen Bestand haben. So ist, als Beispiel, die Erdanziehung für uns Statiker immer noch eine feste Konstante, egal mit welchen Methoden wir versuchen ihr zu widerstehen. Und die ist immer.
Ebenso ist das mit der Gesellschaft. Es gibt nun mal Grundsätze, die kann man nicht einfach ohne nachteilige Folgen über den Haufen werfen. Wenn ich mir zum Beispiel die Diskussionen über die 20-iger ansehe, also die vom vorigen Jahrhundert, dann kann man folgendes lesen:
Die Wissenschaft aus Deutschland ist also international sehr präsent – wir knüpfen an an die lange Tradition
erfolgreicher deutscher Grundlagenforschung, die auch in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts
große Erfolge feierte. Es war eine echte Blütezeit der Wissenschaft und Technik in Deutschland, in
Europa und beginnend in den USA.
Die 20er Jahre waren aber natürlich mehr. Sie versinnbildlichen ein Nebeneinander von Elend und Aufschwung,
progressivem und rückgewandtem Denken, Liberalität einerseits, Nationalismus sowie Antisemitismus
andererseits. Sie stehen gleichzeitig für Aufbruch und Resignation, Optimismus und Angst, Neo-
Romantik und Sachlichkeit. Manches kommt einem heute verdächtig bekannt vor.
Die 20er: das war Aufbruch und Umbruch – und kaum jemand hätte sich vorstellen können, wie brutal sie
enden würden.
https://www.mpg.de/praesident/reden"
Das deutsche Wissenschaftssystem in Zeiten globaler Umbrüche
18. Oktober 2021
Key Note von Prof. Martin Stratmann zur Eröffnung des Akademischen Jahres 2021/2022 an der Universität Bonn, 18. Oktober 2021, Aula der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn"
Was ich damit sagen will ist, das es nicht reicht wenn die Alten aussterben, damit sich irgend etwas Neues durchsetzen kann. Im Gegenteil, das Neue ist nur dann richtig, wenn es auf den Erfahrungen des Alten ruht, auf den guten wie auch auf den schlechten.
Deshalb finde ich es gut, wenn wir den jungen Leuten unsere Erfahrungen mit der Freikörperkuktur und unsere Werte kommunizieren. Was sie daraus machen ist selbstverständlich ihre Sache. Das machen sie sowieso wie sie das wollen. Aber sie sollten wissen, was früher einmal war, wie es sich entwickelt hat und warum es unter gegangen ist.
Genauso natürlich auch in der Gesellschaft. Wenn Prof. Stratmann im Oktober 21 sagt:
...und kaum jemand hätte sich vorstellen können, wie brutal sie
enden würden.
dann läuft mir so ein kalter Schauer über den Rücken....................