Zett hat geschrieben: Aus »Hier spricht die Polizei«, 30.08.23
CHICO hat geschrieben:@ Zett
Hallo, Herr Kritz, ich lerne Sie als „tolles“ Kerlchen kennen. Ihre Petition ist richtig lustig. Sehe ich es korrekt, dass, wenn Sie Erfolg haben, ich auch nackt mit Zylinder auf der Zeil in Frankfurt spazieren gehen darf. Davon träume ich schon sehr lange.
Da ist nichts mit "wie ich es annehme", sondern wie CHICO es geschrieben hat. Also bitte nicht die Wahrheit verdrehen! Später wurde ihm - wie so oft - sein Geschriebenes unangenehm, da hat er es im Nachhinein als "Ironie" umgedeutet - eine oft von ihm eingesetzte rhetorische Masche.
Ich denke, dass du das in diesem Fall nicht richtig erkennst. Darum ein wenig Textanalyse: Chico startet mit der Bemerkung, was für ein "tolles" Kerlchen du bist, und sagt durch die " " das genaue Gegenteil. Das ist vielleicht nicht die feine Art, aber sicherlich auch für dich so verständlich. Im nachfolgenden Halbsatz (', ihre petition ist richtig lustig') unterstreicht er das und rückt die Petition in die Abteilung 'kabarettistische Einlage'. Das ist natürlich auch nicht die 'feine Art', gibt aber die Richtung der nachfolgenden Äußerung vor. Der Abschluss ( 'Davon träume ich schon lange' ) ist nichts anderes als die 'abschließende Pointe', die deine Petition ins "Lächerliche" ziehen soll, aber nicht als Wunsch zu verstehen ist. Auch das ist nicht die 'feine Art' aber für jeden gutwilligen (im Juristendeusch: 'billigen') Leser verständlich.
Ich will gerne einräumen, das ich es im Grunde nicht viel anders gemacht habe - nur etwas versteckter, etwas höflicher : Das Beispiel "unberechtigtes Tragen der Polizeiuniform im öffentlichen Raum" zwang dich zu dem Zusatz (' soweit anderer Rechte nicht betroffen sind'), so dass selbst nach Annahme deines so berichtigten Vorschlages z.B. auch § 118 OWiG wieder ins Spiel kommt. Es würde sich also nichts ändern.
Wenn du - aus mir nicht ersichtlichen Gründen - auf das "Sittengesetz" abstellst, dann solltest du dich eher für die Abschaffung des entsprechenden Halbsatzes im Art 2 GG einsetzten. Das wäre aus meiner Sicht (aus deiner Position heraus argumentiert) dann sogar deutlich logischer. Du bevorzugst offensichtlich den "großen Wurf". Also greife ich jetzt auch einmal mit der Frage "Ist der entsprechende Halbsatz im Art 2 GG mit der Verfassung zu vereinbaren ?" zum ganz, ganz "großen Hammer".
Von den Juristen habe ich gelernt, dass ich mir die Prüfung auf "Verfassungsmäßigkeit" in zwei Schritten vorstellen kann: Im ersten Schritt wird festgestellt, dass es keinen (auch theoretisch denkbaren) Anwendungsfall für die infrage stehende gesetzliche Bestimmung gibt, die Bestimmung also "leer" ist. Dann wird im 2. Schritt festgestellt, dass die Bestimmung - weil es keinen Anwendungsfall dafür gibt - nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Das "Sittengesetz" erfüllt inzwischen die Bedingung Nr. 1, so dass Schritt 2, also die formale Erklärung (" 'oder das Sittengesetz verstößt' ist verfassungswidrig"), anstehen würde. Warum ist das noch nicht passiert ? Ich habe keine Ahnung, aber es könnte daran liegen, dass das BVerfG in einer über 75 (!!) Jahre alten Urteil, selbst von einem "Sittengesetz" geschrieben hat ("Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das Sittengesetz.", BVerfG, Urteil vom 10.05.1957 - 1 BvR 550/52) Diese uralte Bemerkung ist dem heutigen BVerG verständlicherweise hochnotpeinlich. Es ist eines der ganz,ganz wenigen Urteile, an die das BVerfG höchst ungerne erinnert wird. Vielleicht ist das auch der entscheidende Grund, warum - wenn es denn zu gerichtlichen Auseinandersetzungen wegen "Nackt im öffentlichen Raum" kommt, auf § 118 OWiG und nicht auf den "Platzhalter" "Sittengesetz" abgestellt wird.
Nebenbei: Selbst wenn der Absatz im Art 2 GG, der auf das "Sittengesetz" abzielt, gestrichen wird, ändert das nichts an der Möglichkeit, § 118 OWiG ins Spiel zu bringen, was aus naheliegenden Gründen – aus „gegnerischer“ Sicht - in den letzten 30 Jahren ja auch das eigentliche Schwert war, welches dann ins Feld geführt wurde.
Zett hat geschrieben:regenmacher hat geschrieben:Ohne exakte Vorbereitung würde ich auch niemanden zu einem Nacktspaziergang in irgedeiner Fußgängerzone raten - denn ohne Vorbereitung sind in Folge Auseinandersetzungen bezüglich §118 OWiG höchstwahrscheinlich.
Ach!!
Also ist Nacktheit wohl doch nicht uneingeschränkt erlaubt?!!! Wie es hier einige weismachen wollen. Und wie ich es mit der Grundgesetzänderung ändern will!
Jetzt musst wohl auch Du einsehen, dass die "freie Entfaltung der Persönlichkeit" durch das Sittengesetz eingeschränkt ist!
Kaum ein Recht gilt uneingeschränkt. Zu fast jedem Recht gibt es ein "gegenläufiges" Recht. In aller Regel können beispielsweise die Parteien (Kläger bzw. Angeklagte) vor Gericht aus ihrer, parteiischen Sicht "sinnvolle" Argumente anbringen, warum sie "im Recht sind". Es ist sogar fast gängig, das beide Seiten "irgendwie" "Recht haben" - welches Recht "stärker wiegt" urteilt dann der Richter. Das ist richterlicher Alltag und im Prinzip sogar die eigentliche Aufgabe der Richter.
Das gilt auch für das "Recht auf Nacktsein" (oder in deinem Sinne etwas weiter formuliert: für das "Recht auf freie Kleiderwahl"). So darf ich z.B.nackt sein, aber nicht das Grundstück meines Nachbarn nackt betreten, wenn dieser es mir nur bekleidet erlaubt. Sein "Hausrecht" ermöglicht es ihm, mir den nackten Zugang zu verweigern. (in Kurz: Sein Hausrecht "wiegt schwerer")
Ganz generell sollte man sich jegliches Handeln vor dem Handeln überlegen, es also zuvor „durchdenken“. Das ist eine Binsenweisheit und gilt also für alle Lebenslagen. Wenn also jemand - um beim Beispiel "Nackt in der Fußgängerzone" zu bleiben - sich dieses wünscht, dann sollte er wissen, dass Auseinandersetzungen wegen einer vorgeblichen Ordnungswidrigkeit (kurz: § 118 OWiG) anstehen können. Ich gab sogar Hinweise darauf, mit welchen, einfach zu realisierenden Mitteln dem entgegengewirkt werden kann (Kunstaktion, Demo). Es geht sogar noch weiter: Ich benannte sogar ein mit Erfolg durchgespieltes, gut dokumentiertes Beispiel (Demo auf der Domplatte in Köln. "Domplatte" ist ein öffentlicher Platz vor dem Kölner Dom, am Ende einer dortigen Fußgängerzone).
In all diesen Fällen geht es es nicht um ein "Sittengesetz" sondern um das aus gegnerischer Sicht dem Recht auf freie Entfaltung entgegenstehende, gewichtigere Ordnungwidrigkeitengesetz (also hier: § 118 OWiG). Insofern zielen deine Bemühungen bezürlich des "Sittengesetztes" ... "ins Leere".
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