Ich wünsche ausdrücklich keine religiöse Diskussion in diesem Thread, mir geht es hier um keinerlei religiösen Aspekte! Ich persönlich bin gegen ein Burka-Verbot in der Öffentlichkeit, da ich nicht glaube, dass die Burka die Rechte anderer verletzt, wenn sie freiwillig getragen wird (ob dies immer der Fall möchte ich hier auch nicht diskutieren). Persönliche - im Normalfall unberechtigte - Furcht, persönliche religiöse Auffassungen und persönliches Empfinden haben meiner Auffassung nichts in der Gesetzgebung verloren.
Aber jetzt zum Gedankenspiel:
Zwei Freuen laufen neben einander im geringen Abstand durch die Stadt, die eine hat eine Burka an, die andere ist nackt. Was würde passieren? Ich denke, das so gut wie überall die nackte Frau ein Ordnungswidrigkeitverfahren nach §118 bekommen würde, entweder direkt oder zumindest, wenn sie nicht der Aufforderung nachkommen würde, sich anzuziehen. Der Frau in der Burka wird (meiner Meinung nach vollkommen richtig) nichts passieren.
Jetzt schauen wir uns (mal wieder) den §118 OWIG an:
§ 118 Belästigung der Allgemeinheit
(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.
Absatz 2 ist hier in beiden Fällen irrelevant, also holen wir uns noch die Definition von "grob ungehörig"
Eine grob ungehörige Handlung ist eine Handlung, die "objektiv jenes Minimum an Regeln grob verletzt, ohne deren Beachtung auch eine für Entwicklungen offene Gesellschaft nicht auskommt." (Göhler, OWiG,13. Aufl., 2002, § 118 Rn. 4).
So wird ja regelmäßig in Bezug auf Nackheit in der Öffentlichkeit argumentiert. Gehört es aber auch nicht zu dem "Minimum an Regeln", dass man jemanden, den man anschaut, auch ins Gesicht sehen kann? Verrät mir die Mimik eines fremden Menschen nicht mehr als sein Körper? Sollte der erste Blick zu einem Fremden nicht in das Gesicht anstatt auf seinen Geschlechtsteile sein? Ist das Schamgefühl wichtiger als das Sicherheitsgefühl - wobei meiner Meinung nach bei diesen Fällen beide nicht objektiv verletzt werden. Das ist der Knackpunkt bei diesem Gedankenspiel.
Denn die weiteren Teile des §118 werden ja in in beiden Fällen gleichermassen tangiert, wenn man, so wie es die Gerichte in diesen Fällen immer getan haben, die Mehrheit der Bevölkerung als Maßstab nimmt, ist diese sowohl gegen Nackte als auch gegen Burkas in der Fußgängerzone. Und in beiden Fällen kann es durch Proteste radikaler Teile der Bevölkerung gegen das Verhalten zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung kommen.
Worauf ich hinaus will: Wenn eine Gesellschaft eine Vollverschleierung ertragen muss, muss sie dann nicht auch den Anblick eines nackten Körpers ertragen? Kann man ein Extrem erlauben aber das andere verbieten, obwohl es beiden Fällen nicht um ein "Gefähdrungspotential" für die öffentliche Ordnung sondern um persönliche Empfindungen einer Mehrheit geht?
Ich würde gerne eure Meinung hierzu wissen und bitte lasst dabei den Islam aus dem Spiel, darum geht es ja nicht. Natürlich wird in diesem Fall das Thema Religionsfreiheit immer eine Rolle spielen, aber wiegt die schwerer als §2 Grundgesetz?
Artikel 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Zu der Sache mit dem "Sittengesetz" hat Michael G. hier ja mal einen interessanten Beitrag geschrieben: https://www.fkk-freunde.info/viewtopic. ... 270#p26062.
P.S.: Mir ist klar, dass man dieses Gedankenspiel auch als Argumentation für die Ahndung des Burkatragens nach §118 benutzen kann, aber das möchte ich nicht erreichen. Meine Intention sollte in diesem Forum klar sein.