derTräumer hat geschrieben:Da war ich also längere Zeit nicht im Forum und darf dann sofort über ein derartig interessantes Thema stolpern.
Danke, Zett.
Dann bin ich aber genauso schnell über die erste Aussage gestolpert, die spontanen Widerspruch in mir auslöste:
Zett hat geschrieben:Freikörperkultur (im engeren Sinne) ist - wie es das Grundwort sagt - eine bestimmte Kultur und damit ein Regelwerk von Richtlinien und Einstellungen und darüber hinaus dessen gelebte Umsetzung.
Und ich hatte doch immer geglaubt, Kultur sei so etwas wie die Gesamtheit dessen, was die Menschen miteinander tun, erschaffen, Leben ... .
Und ich hatte immer geglaubt, das Freiheit und Kreativität neben Selbstachtung und der Achtung des Mitmenschen zu den wesentlichen Immanenzen dessen gehören, was Kultur ausmacht.
Und jetzt soll ich glauben, dass es in Wirklichkeit ' ... ein Regelwerk von Richtlinien und ... ' ist.
Die Sprache ist das wichtigste Mittel für den Menschen, sich mitzuteilen. Die deutsche Sprache gilt als eine der schwierigsten, ich gehe davon aus, auch deshalb, weil man mit ihr besonders differenziert ausdrücken kann, was man mitteilen möchte. Leider wird sie - wie z.B. durch das allgemeine Getrenntschreiben von Verben in der neuen Rechtschreibung zunehmend auf die primitivere englische Sprache heruntergebügelt.
Die Substantive hat man zum Glück noch nicht der Getrenntschreibung unterworfen und so ist die »Freikörperkultur« immer noch ein zusammengeschriebenes Wort. Im Deutschen unterscheidet man dabei zwischen Grundwort, hier »Kultur« und Bestimmungswort, hier »Freikörper« (was sich noch einmal in Grund- und Hauptwort auftrennen liese).
»Freikörperkultur« heißt also, es ist vom Grund her eine Kultur, die näher bezeichnet wird mit dem Zusatz »Freikörper...«.
Es gibt nun aber neben dem, was man ganz allgemein unter »Kultur« versteht - und was Du auch aufgeführt hast, verschiedene, spezielle Kulturen. Dies können ganz große sein, wie die »abendländische« Kultur, ganz kleine wie die »Essenskultur« bei Familie Meyer, es kann »Arbeitskultur« im Betrieb x oder y sein - und es kann die »Freikörperkultur« im deutschsprachigen Raum sein.
Die FKK ist eine sogenannte Subkultur, also eine Unterkultur innerhalb eines größeren Kulturkreises (z.B. des abendländischen oder der Weltkultur).
Und für eine Subkultur macht es Sinn, das Spezielle dieser Subkultur hervorzuheben. Weniger Sinn macht es, alles, was darüberstehende Kulturen ausmacht, mit in die Beschreibung der Subkultur hineinzupacken, da man ja gerade das Besondere hervorheben will.
Deshalb stellst Du mit Deinem Beitrag das andere Ende der extremen Beschreibungen von FKK dar. Einige haben sich hier schon gemeldet, die in den Begriff »FKK« nichts weiter hineinpacken wollen als nur das Adjektiv »nackt«. Sie sagen, dass FKK einzig und allein ein Synonym für »nackt« sei - und gestatten noch nicht einmal, dass andere mehr darin sehen möchten.
Ich meine, dass ich mit meiner Definition einen vernünftigen Mittelweg gegangen bin: »Freikörperkultur« ist nicht alles, was irgendwie mit Kultur zu tun hat aber es ist doch auch wesentlich mehr, als nur ein Synonym für »nackt«. Dabei verheimliche oder unterdrücke ich aber nicht, dass es viele (wahrscheinlich eine große Mehrheit) gibt, die zumindest im umgangssprachlichen Gebrauch tatsächlich FKK nur als Synonym für nackt benutzen.
derTräumer hat geschrieben:Aber auch die Freiheit, die ich lebe und erlebe ist kein Selbstzweck. Ich bin nicht nur frei von ... (z.B. Kleidung), ich bin auch frei für ... . Wenn ich zum Beispiel nackt durch die freie Natur gehe bin ich frei dafür, diese Natur mit meinem ganzen Körper zu erfahren. Ich erlebe Natur im eigentlichsten Sinn dieses Wortes hautnah.
Es erlebt wohl kaum jemand so sehr Natur wie ich: An 365 Tagen im Jahr bin ich jeweils 1-3 Stunden nackt draußen, ich bin 3/4 des Jahres barfuß, die Hälfte des Jahres habe ich Körperkontakt zu natürlichem Wasser (Teiche, Bäche). In meiner Definition schreibe ich: "Die Freikörperkultur beinhaltet den Aufruf, sich mit der Natur auseinanderzusetzen, sich möglichst oft und möglichst gering- oder unbekleidet in ihr aufzuhalten und sie passiv und aktiv zu schützen und/oder in Teilen wiederherzustellen." Hier geht Deine Kritik wohl fehl oder Du hast es einfach überlesen.
derTräumer hat geschrieben:Bei einer Nacktwanderung im vergangenen Jahr mussten wir auch erfahren, wie es sich anfühlt wenn Mitmenschen die das nicht mögen lautstark negativ reagieren.
Da war sie dann. Die Grenze zwischen mir und den Anderen. Die Frage nach Achtung und Selbstachtung.
Soll ich zurückstecken, weil andere ein Problem damit haben, was ich tue?
Oder soll ich, sollen wir nicht lieber die Freiräume, die uns gesetzt werden nicht lieber auch nutzen, besetzten? (!) So, wie das Nacktwandern, das sich in vielen Gegenden verbreitet immer mehr toleriert wird.
Wo beginnt also das Moderne einer Definition der FKK ?
Ob Du zurücksteckst oder glaubst protesieren zu müssen, musst Du selbst entscheiden. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir (Textillosen) als Minderheit gegenüber den Texilos nicht allzu sehr auftrumpfen sollten - das Ansehen der FKK ist ohnehin nicht mehr das Beste.
Bei dem Ausdruck "die Freiräume, die uns gesetzt werden [zur Verfügung stehen], nicht lieber auch nutzen [und] besetzten" kann ich voll mitgehen - und da darf ich mich glaub ich mit meinem Nacktjoggen als Pionier bezeichnen.
Das "Moderne" meiner Definition besteht z.B. darin, dass
a) es als einzige Definition darauf hinweist, dass Sex im öffentlich zugänglichen Raum bei der FKK nichts zu suchen hat. Dies ist eine unbedingt notwendige Ergänzung, um die FKK im Ansehen der Bevölkerung nicht immer weiter in die Schmuddelecke treiben zu lassen.
b) es darauf verzichtet, für FKK eine Gruppe vorzuschreiben (wie bei der INF-Definition). Gerade aufgrund der Ergänzung a) ist es überflüssig, Sexuelles ausschließen zu wollen, indem man eine Gruppe vorschreibt.
c) es eine, die FKK-betreffende gesellschaftliche Entwicklung kritisiert: die, die FKK schädigende und in immer mehr Bereiche des Lebens eindringende Pornowelle und Sexualisierung.
Das kann man aber doch eingentlich alles recht einfach selber herauslesen!
Alles in allem glaube ich aber, dass sich unsere Vorstellungen nicht allzu sehr unterscheiden.
Wie wäre es, wenn Du einmal eine kurz-prägnante aber trotzdem ausreichend umfassende Definition vorstellen würdest, wie Du speziell den Begriff »Freikörperkultur« beschreiben würdest?!