OLG Karlsruhe hat geschrieben:Maßgeblich für die Beurteilung, ob das nackte Auftreten in der Öffentlichkeit die in der ungeschriebenen Gemeinschaftsordnung verankerte Toleranzgrenze überschreitet, ist, dass die zu bewertende Handlung objektiv jenes Minimum an Regeln grob verletzt, ohne deren Beachtung auch eine für Entwicklungen offene Gesellschaft nicht auskommt (Senge in KK-OWiG § 118 Rn. 6).
Steht das so im Gesetz?
NEIN,
Das OLG muss, um die persönliche Abneigung seiner Mitglieder gegen die Nacktheit zur ungeschriebenen Figur der "Toleranzgrenze" greifen, zu "jenem Minimum an Regeln ...", und das erst noch "objektiv".
Dass ein OLG so was schreibt, macht das noch lange nicht verfassungsmässig.
Da wird das Gesunde Volksempfinden ins Recht eingerührt, da wird mangels passendem Gesetz nach dem nächstbesten gegriffen, dessen "Sinn" zurechtgebogen werden könnte.
Die Herren Oberrichter haben nichts gelernt in tausend Jahren.
Seit 1946 steht es ihnen nicht mehr zu, derlei Sprüche zu klopfen.
Ich zweifle, ob das BVGer seinen bezüglich "grobem Unfug" gefällten Fehlentscheid nach dutzenden von Jahren auf den vierfach unbestimmten OWiG §118 übertragen würde. Ebensowenig wie es heute noch einmal das "Sittengesetz" auf den Ansichten der Kirchen abstützen möchte.
Aber wenig gesetzestreue Sprücheklopfer hatten wir ja schon mehr als einmal und nicht nur in Deutschland, wenn es darum geht, ohne explizite §§ nackte Männer zu sanktionieren. So hat sich das Schweizerische Bundesgericht zur Behauptung verstiegen, die Bestimmtheit des Gesetzes gelte für geringe Vergehen in geringerem Masse als für schwerwiegende Taten. Verfassung? StGB? Wortlaut? Nö, egal, wieso? Beiseitewisch, lieber schüttelt man aus dem Ärmel, was gerade so passt.
Übrigens:
Peter Niehenke hatte in jenem Prozess vor dem OLG Karlsruhe die Verfassungsmäßigkeit von OWiG §118 eben gerade nicht in Frage gestellt. Sigi Grawert ohnehin nicht. Das Argument wäre vor deutschen Gerichten neu.
Noch schöner wäre es natürlich, wenn Polizei und Ordnunsbehörden, Gendarmerie und Guarda Civil einfach keine Knöllchen ausstellten und somit dieser Diskussion den Wind aus den Segeln nähmen.
So habe ich das schon öfter erlebt, allerdings nie in flagranti, sondern stets hinterher. Der schönste Fall war an einer eigens für uns aufgezogene Strassensperre, besatzt mit mit sechs Polizisten. Meine italienisch radebrechende Frage nach dem Gesetz wurde nach Rücksprache am Funk mit einem Bussgeld wegen fehlendem Adresswechsel im Führerausweis quittiert ...
Puistola