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Stephen Gough, die unbeendete Tragödie

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Re: Stephen Gough, die unbeendete Tragödie

Beitrag von Calcit » Fr 9. Sep 2016, 14:19

Auch wenn das Interesse an Nachrichten aus Brexitannien abgenommen haben dürfte, sollte der Fall Stephen Gough doch nicht in Vergessenheit geraten.

Inzwischen ist ein zweiter Anlauf vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gestartet worden, diesmal geht es um die Vereinbarkeit von der ASBO-Verhängung mit der Meinungsfreiheit. "The Times" hat darüber berichtet, allerdings mit Bezahlmauer, immerhin ist der Anfangsteil lesbar, daraus:
The Times, 20160704, hat geschrieben: Naked rambler takes fight to Europe
... Papers lodged with the court in Strasbourg say that the Asbo is “an unjustified interference with the applicant’s right to freedom of expression” under European human rights laws. ...
http://www.thetimes.co.uk/article/naked ... -fncrb0s7t

Ausführliches und Lesenswertes liefert der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hier:
European Court of Human Rights, 20160610, hat geschrieben: Application no. 2153/15 Stephen Peter GOUGH against the United Kingdom lodged on 9 January 2015
... COMPLAINT The applicant alleges that the imposition of the ASBO breached his rights under Article 10 of the Convention. He argues that its only purpose was to circumvent the maximum penalties permitted for public nudity by the Public Order Act and that, as a result, it did not pursue a legitimate aim. He further argues that it was neither necessary nor proportionate since it conferred no further powers on the police to deal with his behaviour and constituted a blanket prohibition on public nudity, removing any police and prosecutorial discretion. The consequence of the imposition of the ASBO was automatic prosecution and imprisonment indefinitely and in conditions akin to solitary confinement. This was disproportionate to the prevention of a low-level, non-imprisonable public order offence. Further, the terms of the order were wide and ambiguous, so that it was impossible to enforce it consistently within the prison system.
QUESTION TO THE PARTIES Did the imposition of the ASBO constitute an unjustified interference with the applicant’s right to freedom of expression under Article 10 of the Convention ...?
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-164551

Das Problem mit dem Artikel 10 ist die Einschränkungsmöglichkeit der Meinungsfreiheit zugunsten der "Moral", ein Griff in den Nebel, siehe:
https://dejure.org/gesetze/MRK/10.html

Hinzu kommt inzwischen das Problem, daß es dort künftig wohl nicht mehr besonders interessiert, was Europäer zu Menschenrechtsfragen auf einer fernen Insel meinen.

Es gibt die gute Nachricht, daß Stephen Gough weiterhin berechenbar tickt und seine gebrechliche Mutter pflegt und deshalb Verhaftungsrisiken durch Bekleidung aus dem Weg geht, wie aus folgendem Artikel einer Rechtsanwältin und Journalistin hervorgeht:
Catherine Baksi = Legal Hackette, 20160901, hat geschrieben: ... After spending more than 10 years in prison because of his wish not to wear clothes, the 57-year-old former Marine has taken to dressing in order to be able to be a fulltime carer for his mother, who suffers from dementia. As debate rages about whether Muslim women should be permitted to cover their entire bodies when on the beach – a right which our hero ardently supports — Gough has found himself in trouble with the law for wearing too little. ... Will you carry on with [t]his naked crusade? ‘I really don’t know. I’m not into planning things. At the moment I am complying with the ABSO [ASBO], so that I don’t get arrested because I want to look after my mum’. He continues: ‘I often think about it. Why am I sitting here in the heat with these sweaty bottoms on? But, I know if I acted sensibly and stripped off now and got myself a bit aired, someone might come across and call the police and I wouldn’t be able to look after my mum’. ...
https://legalhackette.com/2016/09/01/le ... d-rambler/ (Legal Hackette Lunches with the ‘Naked Rambler’)
Zur Autorin:
https://legalhackette.com/
Dank für Ausgraben der Informationen an:
http://www.nakedrambler.org/index.html

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Re: Stephen Gough, die unbeendete Tragödie

Beitrag von Aria » Fr 9. Sep 2016, 20:54

Calcit hat geschrieben:Das Problem mit dem Artikel 10 ist die Einschränkungsmöglichkeit der Meinungsfreiheit zugunsten der "Moral", ein Griff in den Nebel, siehe:
https://dejure.org/gesetze/MRK/10.html
So ist das nun mal – auch im deutschen Grundgesetz steht, dass Meinungsfreiheit eingeschränkt werden kann: Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Und die diesbezüglichen Gesetze sind immer wieder verschärft worden, so dass man inzwischen z.B. ein Foto eines betrunkenen Politikers in der Öffentlichkeit nicht mehr publizieren darf, weil das eine unbefugte Bloßstellung wäre.

Das mit dem „unbefugt“ ist ein Witz, denn eine befugte Publikation, die laut Gesetz ja erlaubt wäre, kann es kaum geben, denn die betreffende Person würde niemals zu einem Bild, das sie betrunken oder sonst unvorteilhaft zeigt, ihre Zustimmung zu geben.

Eine staatlich Zensur wie im 19ten Jahrhundert, die unliebsame Nachrichten unterdrückte, brauchen wir gar nicht mehr – wir machen uns langsam selbst mundtot. Das passt hervorragend in „meine“ Theorie vom Wandel der Gesellschaft von einer permissiven zu einer regulierenden und kontrollierenden.

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Re: Stephen Gough, die unbeendete Tragödie

Beitrag von Puistola » Sa 10. Sep 2016, 08:32

Calcit hat geschrieben:Hinzu kommt inzwischen das Problem,
daß es dort künftig wohl nicht mehr besonders interessiert,
was Europäer zu Menschenrechtsfragen auf einer fernen Insel meinen.


Das UK ist auch nach dem Brexit weiterhin Mitglied des Europarates,
also weiterhin der europäischen Menschenrechtskonvention
verpflichtet.

Aber ausser ein paar FKK-Foristen, die von dir berdankenswert
mit Informationen zu Steve gefüttert werden, interessierte sich die
europäische Öffentlichkeit ohnehin schon lange nicht mehr für
den starrsinnigen Nackten Mann.

Ich bin froh, dass er nun seinen Kampf wieder auf die juristische
Ebene trägt, diesmal gut fundiert und gegen das schreiendes Unrecht
der Hinrichtung auf Raten per ASBO.
Auch froh bin ich, dass der bisher unerbittlich Selbstzerstörerische
nun sein Leben der Pflege seiner kranken Mutter widmet.
Demenz ist für "Normale" meist der Anlass, ihre lästig gewordenen
Eltern in eine Anstalt abzuschieben.
Ecce homo!

Puistola

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Re: Stephen Gough, die unbeendete Tragödie

Beitrag von Liberté 53 » Sa 18. Mär 2017, 18:56

Aria hat geschrieben:So ist das nun mal – auch im deutschen Grundgesetz steht, dass Meinungsfreiheit eingeschränkt werden kann: Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Und die diesbezüglichen Gesetze sind immer wieder verschärft worden, so dass man inzwischen z.B. ein Foto eines betrunkenen Politikers in der Öffentlichkeit nicht mehr publizieren darf, weil das eine unbefugte Bloßstellung wäre.

Das mit dem „unbefugt“ ist ein Witz, denn eine befugte Publikation, die laut Gesetz ja erlaubt wäre, kann es kaum geben, denn die betreffende Person würde niemals zu einem Bild, das sie betrunken oder sonst unvorteilhaft zeigt, ihre Zustimmung zu geben.

Eine staatlich Zensur wie im 19ten Jahrhundert, die unliebsame Nachrichten unterdrückte, brauchen wir gar nicht mehr – wir machen uns langsam selbst mundtot. Das passt hervorragend in „meine“ Theorie vom Wandel der Gesellschaft von einer permissiven zu einer regulierenden und kontrollierenden.


Ausnahmsweise(?) mal ganz Deiner Meinung- Meinungsfreiheit ist schon lange nicht mehr- wir haben nicht mal einen Hyde Park.
Facebook und Co. sind kein Ersatz, weil diese dort veröffentlichten "Meinungen", die allerdings oft eher Beleidigungen sind, inzwischen häufig vor den Gerichten landen.
Ich frage mich nur, warum sich so viele so gerne kontrollieren lassen- der Staat mischt sich inzwischen, auch gedrängt durch die "öffentliche Meinung", in alle Lebensbereiche ("Veggieday", falsch aufgezäumte Maßnahmen zur Verringerung des Feinstaubs, des Energieverbrauchs etc.) ein, und niemand rührt sich, schon gar nicht mit Argumenten.

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