@ Bummler
Wir kennen uns nun schon lang genug und der unnötige Streit zwischen den Ossis und Wessis bringt nichts. Ich erkenne deine DDR-Sozialisation an, auch wenn diese deine Entwicklung hier im Westen nicht anders verlaufen wäre. Es ist mir unverständlich, warum du mir vorwirfst, nicht zuhören zu können. Ja, wir sind in einigen Fällen anderer Meinung, aber ab meinem 14. Lebensjahr habe ich einen Kontakt zu einem gleichaltrigen, dieser Kontakt besteht weiterhin. Wir haben jetzt Familien, Kinder, Enkel und gar Urenkel. Daneben hatte ich noch weitere Kontakte in die ehemalige DDR. Leider ist es mir nicht gelungen, nach meinem Studium eine Praktikumsstelle in der DDR zu bekommen. Also, ich hatte schon sehr früh einen guten und offenen Kontakt zu Bürgern der DDR und ich gehe davon aus, dass diese mir keine Märchen erzählt haben. Neben den Kontakten in Ostberlin, wo ich nur hinfahren durfte, war ich auch illegal in der DDR und ebenso mit offizieller Erlaubnis.
Ja, wir beide sehen die Geschichte, politisch wie wirtschaftlich, aus einem anderen Blickwinkel. Mir ist es durchaus bekannt, dass dein persönliches Erleben nicht immer mit der Realität übereinstimmte, weil die wirtschaftlichen Daten vor den DDR-Bürgern geheim gehalten wurden. Auch wenn uns im Westen nicht bekannt war, wie marode die DDR-Volkswirtschaft war, so waren uns doch einige wesentliche Schwächen bekannt, die euch als soziale Errungenschaft des Sozialismus angepriesen wurden. Meine Familie hat ein Werk in Wittenberg durch den Einigungsvertrag nicht zurückerhalten. Ich war als Einziger meiner Familie nicht nur vor dem Werk, ich war drinnen und konnte mich vom Zustand dieser Fabrik in Kenntnis setzen. Die Maschinen waren alle aus dem Jahr 1950 und damit nicht mehr konkurrenzfähig für den freien Markt. Auf meine Frage an den Betriebsleiter, wieviel Kapital er zur Modernisierung der Firma benötige, antwortete er mir und hierbei wollte er mich offensichtlich schocken: "Eine Million". Der gute Mann wusste nicht, das seinerzeit die Einrichtung eines Industriearbeitsplatzes eine Million kostete. Gut, das Firmengebäude war vorhanden. So hätte die Umgestaltung dieser Firma je Arbeitsplatz zwischen 1/2 Million bis 700.000,-- DM gekostet. Was diese Firma für mich interessant machte war der Umstand, dass ich dort die Möglichkeit gehabt hätte, für den Denkmalschutz Teile mit einem Verfahren aus dem 19./20. Jahrhundert originalgetreu herzustellen. Als mir bekannt wurde, dass mir diese Firma nicht Rückübertragen wurde, brauchte ich meinen Kontakt zum VW-Vorstand nicht zu aktivieren, um mir von dort eine Wirtschaftlichkeitsrechnung erstellen zu lassen. Diese Firma bestand dann nur noch bis zu ihrem 100-jährigen Jubiläum und danach wurde sie abgewickelt. Warum erzähle ich dir dieses? Es gab eben schon Wessis, die einen besseren Überblick über die Situation der und in der DDR hatten.
Ja, ich kann deine Trauer über die DDR verstehen, so wie du diese erlebst hast. Nur war die Realität in der DDR eine andere, als diese dir erschien. Im Westen war auch nicht alles Gold, was glänzte. Und in der DDR wurden auch Produkte hergestellt, die in der Weltwirtschaft führend waren. Ich muss jedoch das Gesamtbild betrachten und bewerten. Und dieses Gesamtbild war grottenschlecht und durch das politische System völlig fehlgeleitet.
Die demokratischen Werte werden durch eine Individualisierung nicht aufgelöst, die Vielfalt nicht eingeschränkt. Die in der Verfassung garantierten Werte sind keine Fixwerte, sie müssen täglich gelebt und verteidigt werden. Demokratie und Freiheit ist kein absolutes Gut, welches man hat, man muss es täglich verteidigen und sich hierzu bekennen.
Für mich wären CO-Flächen auch ein sichtbarer Ausdruck für Toleranz.
Ja, so sehe ich es auch. Aber Toleranz kannst du nicht einfordern, du musst den Anderen zur Toleranz überzeugen. Toleranz fordert auch für den, der dieses fordert, ebenso tolerant dem gegenüber zu sein, der anderer Meinung ist. Die Auffassung: "In Deutschland ist alles erlaubt, wenn es nicht explizit verboten ist!" ist einfach falsch. Demokratie, Toleranz und der Rechtsstaat erwarten einen ständigen Dialog, wenn etwas geändert werden soll. Toleranz fordert nicht nur die Einrichtung von CO-Flächen oder -Zeiten in Bädern. Diese müssen dann aber auch genutzt werden. Ebenso erwartet die Toleranz, dass wir reine FKK- und Textil-Flächen für diejenigen bereit halten, die nur unter ihresgleichen sein wollen. CO-Flächen werden in der Regel nicht durch Beschluss festgelegt. Sie entwickeln sich und werden in der Regel stillschweigend geduldet. FKK-Badezeiten werden in der Regel nur deswegen wieder aufgehoben, weil keine Besucher kommen. Kein Badebetrieb kann kostendeckend wirtschaften. Warum sollen also auf Einnahmen verzichtet werden, wenn die Personen nicht kommen, für die diese Badezeit eingerichtet wurde? Dann besteht eben kein oder kein ausreichender Bedarf. Man kann dieses beklagen, aber es ist eine Realität, die ich so hinnehmen muss.
Freiheit, Demokratie und Toleranz verlangen persönlichen Einsatz und Übernahme von Verantwortung. Diese kann nicht angeordnet werden, sie muss täglich erworben und beworben werden. Und mit den CO- und FKK-Flächen verhält es sich eben so.