Aria hat geschrieben:Den Protesten folgten trotz Widerstands der Etablierten gesetzgeberische Aktionen, die manche überkommene Gesetze, auch Frauen und Sexualleben betreffend, hinwegfegten.
Die Frage ist doch, ob diese Gesetzte auch ohne die 68-er hinweggefegt worden wären. Denn die Gesellschaft war Mitte des vorigen Jahrhunderts durchaus von intellektuellen Ideen geprägt, deren Wirken durch den Nationalsozialismus unterbrochen wurde. In der Ökonomie und der Philosophie gab es hervorragende Denker, deren Werk in der Nachkriegszeit zum Wirken kam. Z.B. Walter Eucken mit seiner sozialen Marktwirtschaft. Auch die Soziologie und andere Wissenschaften in ähnlichen Richtungen entstanden und wirkten in intellektuellen Kreisen.
Als dann mit der Sicherung des materiellen Wohlstands diese Ideen diskutiert und umgesetzt werden konnten wäre die Studentenbewegung eher unnötig gewesen. Vielleicht noch als impulsgebendes Moment, aber nicht als Umbruch im Sinne einer Revolution.
Ein Wolfgang Eßbach hat da einen interessanten Artikel geschrieben:
Wolfgang Eßbach
»1968« – Aufstand der Werte?
Kann man in der Bewegung von »1968« einen Aufstand der Werte sehen? Wer
sich auf die Suche macht, in den Texten der Revoltierenden Sätze zu finden, in
denen von Werten die Rede ist, wird selten fündig. Die Rede von Werten war zutiefst
ideologieverdächtig, sie war nicht progressiv, sie war eher ein Markenzeichen
konservativer Denkungsart.
Es hat in der Bewegung
von »1968« keinen nennenswerten Werte-Diskurs gegeben. Man findet jedoch
anderes, nämlich die Rede von Bedürfnissen, insbesondere unterdrückten Bedürfnissen
oder durch Werbung manipulierten Bedürfnissen oder schlicht falschen
Bedürfnissen. Man findet die Rede von Rechten, weniger von Menschenrechten,
aber vom Recht auf Bildung und vom Recht auf Arbeit. Es gab auch Pflichten, an
oberster Stelle die Pflicht zum Widerstand gegen Herrschaft und Unterdrückung.
Darüber hinaus findet man die Rede von Interessen, Kritik, kritischem Bewußtsein
und natürlich von Utopien.
Die Chiffre »1968« war offen für eine Romantik der
Revolte, für Assoziationen von Aufbruch, für die helleren Seiten des Geschehens,
eben den frühsommerlichen »Mai 68«. Ich habe dies einmal die Vergemütlichung
von »1968« genannt.
Meine These ist: die Achtundsechziger und »1968« als kompaktes Phänomen
sind ein Produkt der 80er Jahre. Es entsteht in dieser Zeit so etwas wie ein Mythos
»1968«, mit dem auch Generationen der Nachwachsenden insofern gequält wurden,
als ihr politisches Engagement, am Veteranen-Mythos gemessen, notorisch abgewertet
werden konnte.
Auch sehr interessant diese Passage:
So erschien nach dem Hilferuf der Lehrer der Berliner Rütli-Schule Ende
März 2006 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf der Titelseite ein Beitrag von
Berthold Kohler, in dem er »1968« für das Versagen der Schule bei der Integration
von Immigrantenkindern verantwortlich machte.
"Autorität an sich ist damals als ein (deutsches) Erzproblem identifiziert worden,
wie überhaupt alles problematisiert wurde, als die ›Achtundsechziger‹ als Lehrer
an die Schulen kamen. Sie säten auch im Bildungssystem jenen anti-autoritären
Geist aus, der erheblich zur Schwächung und Verwahrlosung der Schulen beitrug,
die jetzt (für wie lange?) die Öffentlichkeit schockieren. Die Anforderungen
an die Schüler wurden zurückgenommen, die sogenannten Sekundärtugenden
verunglimpft, Grenzen wurden, wenn überhaupt, nur noch weit gesteckt, der
Autoritätsverlust, den manche Lehrer heute beklagen, gehörte für ihre Vorgänger
zum Programm ihres gesellschaftlichen Befreiungskampfes. Zu den Kindern
dieser Revolution zählen die Kohorten von kaum noch ›beschulbaren‹ Jugendlichen,
die die Regeln des bürgerlichen Zusammenlebens schon deswegen nicht
schätzen können, weil niemand sie ihnen beibrachte."
Die Überschrift lautete: »Die Erblast von Achtundsechzig«.
Ja, die Erblast von Achtundsechzig.
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/68er-Bewegung; Einzelnachweise Nummer "78"
Tim007 hat geschrieben:@ Bummler:
Seltsam.
Erst sagst Du als gelernter Marxist, das Sein bestimme das Bewusstsein (und sicherlich auch das Denken).
Und dann ist es die Bildung, die die Verhältnisse samt Liberalisierung bestimmt.
Was denn nun?
Das Sein besteht ja nicht nur aus den materiellen Verhältnissen, sondern auch aus der Stellung in der Gesellschaft, an der Teilhabe im öffentlichen Leben und der Kultur. Insofern sind die Bildungsmöglichkeiten Bestandteil des "Seins" und bestimmen das Bewusstsein mit. Genau wie der Einfluss der Kultur oder Kunst das Bewusstsein natürlich auch beeinflussen.
Das ist doch ganz einfach, denke ich.
Eichbaum hat geschrieben:Was bitte ist an Sex auf dem Küchentisch pervers??
Der Sex...
Der Küchentisch ist zum Essen da und vielleicht noch für ein paar Blümchen in einer bunten Vase, wenn alle mit dem Essen fertig sind.
Klar kann man auf dem Küchentisch noch Zeitung lesen, weil da das Licht meist besonders gut ist.
Wenn der Postmann da mal in so einer künstlichen Phantasie die Hausdame auf diesem Möbelstück nagelt, ist dieser Missbrauch noch lange nicht natürlich.
Alles klar?