Vorbemerkung: Weil das ein wenig lang geraten ist, sollten Ungeduldige das alles nicht lesen, sondern gleich an das Ende scrollen und die Zusammenfassung lesen.
Eule hat geschrieben:Da wir uns hier nicht über religiöse oder kirchliche Fragen austauschen, wollte ich den letzten Beitrag von erden_mensch bezüglich seiner allgemeinen Religionskritik nicht kommentieren.
erden_mensch hat mit seinem Threaderöffnungsbeitrag deutlich gemacht, dass die katholische Kirche mit ihrer Lehre, Fleischeslust sei des Teufels, das gläubige Volk in Angst versetzt, weil dieses sich dieser Lust nicht enthalten konnte und daher glaubte, nach dem Tod ewig in der Hölle zu schmoren oder zumindest im Fegefeuer Jahrhunderte verbringen müssten.
Sünder konnten sich früher durch käuflich zu erwerbende Ablassbriefe vor dem Fegefeuer retten oder zumindest die Zeit in dem Feuer um ein paar hundert Jahre verkürzen. Dem gleichen Zweck dienen heute Gebete, Pilgerfahrten und gute Werke – dies alles auch nachträglich durch Angehörigen des bereits Toten möglich. Besonders eindrucksvoll ist die Versammlung der Sünder auf dem Petersplatz, wenn der Papst zu Ostern und Weihnachten den sog. Urbi et orbi Segen spricht, denn alle, die ihn hören oder sehen, wird dadurch ein vollkommener Ablass ihrer Sündenstrafen gewährt, natürlich nur die bis zu dem Zeitpunkt angesammelten. Für mich ist das nichts anderes als Hokuspokus.
Eule hat geschrieben:In der kath. Kirchengeschichte findest du die Zeit der Pornokratie. Also die Zeit, wo die Päpste, Kardinäle und Bischöfe ein sehr ausschweifendes Leben geführt haben und sich auch teilweise zu ihren Kindern bekannten.
Ja, sich zu seinen Kindern zu bekennen, war einem Priester damals möglich – heute muss er seinen Dienst quittieren. Deswegen bekennen sich heute wenige Priester dazu, denn hat er Kinder im Geheimen, toleriert die Kirche dieses Leben in Sünde, weil Ablass immer möglich ist – siehe oben.
Eule hat geschrieben:Ob der Beschluss bezüglich der "Bekleidung" der Dekenfreken von Michelangelo wirklich erst in den letzten 10 Jahren zurückgenommen wurde, kann ich jetzt nicht sagen. Dieses erscheint mir sehr fraglich, weil dann Josef Ratzinger als Benedikt XVI. dieses veranlasst haben müsste.
Du scheinst in der Kirchengeschichte nicht besonders gut bewandert, denn Josef Ratzinger wurde erst im Jahr 2005 Papst.
Eule hat geschrieben:Ich müsste jetzt wohl in der Kunstgeschichte nachsehen, wann diese Übermalung rückgängig gemacht wurde.
Ein Blick in die Wikipedia und du wüsstest das – Zitat:
Durch die Darstellung von Geschlechtsteilen stieß das Gemälde seinerzeit oftmals auf Ablehnung. Kurz vor Michelangelos Tod 1564 wurde der Erlass „Pictura in Cappella Ap[ostoli]ca coopriantur“ verabschiedet, der Übermalungen von als unsittlich empfundenen Ausschnitten vorsah. Die Übermalungen wurden bald begonnen und auch noch viele Jahrzehnte später fortgesetzt. Hiermit beauftragt wurde Daniele da Volterra, was diesem den Spottnamen Braghettone („Hosenmaler“) eintrug.
(…)
Die reinen Restaurierungsarbeiten waren 1994 abgeschlossen; am 11. Dezember 1999 fand die feierliche Wiedereröffnung der gesamten restaurierten Kapelle durch Papst Johannes Paul II. statt,[6] knapp vor Beginn des heiligen Jahres 2000.D.h. erst ab diesem Zeitpunkt, war die Kapelle wieder voll für die Besucher zugänglich. Die schamhafte Phase der Kirche dauerte mehr als 400 Jahre – bis es eben Johannes Paul II. kam und die Restaurierung veranlasste; er spielte vor seinem Priesterdasein in einem Theater mit und hatte auch eine Geliebte – man kann zumindest sagen: Ihm war die sog. Fleischeslust (Bezeichnung der Kirche für Geschlechtsverkehr) nicht fremd.
Eule hat geschrieben:Die Behauptung, dass die kath. Kirche mit dem Beginn der Industrialisierung körperfeindlich geworden sei, um so die Industrialisierung voranzutreiben, dieses also im Sinne einer Sublimierung der sexuellen Energie auf die Arbeitskraft, stammt nicht von mir. Sie stammt von Sartre.
Egal von wem du es übernommen hast – du hättest es besser wissen müssen, schließlich hast du ein Buch über die Kirche geschrieben. Und das kann man nicht wirklich fundiert tun, wenn man solche Wissenslücken hat.
Eule hat geschrieben:Aber etwas, worauf ich dich wiederholt aufmerksam gemacht habe, ist doch der Umstand, dass du dich nicht nur auf die Gebote oder Verbote, so wie die Amtskirche diese verkündete, konzentrieren kannst. Du musst dabei beachten, wieweit diese von der Bevölkerung angenommen und umgesetzt wurden.
Nach außen wurden Gebote und Verbote befolgt, im Geheimen aber wurden diese übertreten, weil kein Mensch so keusch leben kann, wie diese Kirche es von ihm Gläubigen verlangt.
Eule hat geschrieben:Heute leben wir in einer Zeit, in der selbst kath. Pastöre sagen, dass es ein Schisma in der kath. Kirche gibt. Und zwar zwischen dem, was die Amtskirche verkündet und dem, was das Kirchenvolk denkt und lebt. Einige Bischöfe scheinen dieses auch so bemerkt zu haben und sie sprechen sich noch sehr vorsichtig und sparsam für eine Änderung der Lehre bezüglich der Sexualmoral aus.
Ja – und warum sprechen sich Bischöfe sehr vorsichtig für eine Änderung der Sexuallehre aus? Weil sie ihren Job behalten wollen. Gleichzeitig beweist das, dass die Mehrheit der Kirchenoberen nach wie vor ähnlich denkt wie die Kirche die letzten 400 Jahre über die Nacktheit und Sexualität gedacht hat: Fleischeslust ist des Teufels, und weil Nacktheit zu dieser Lust führen kann, wird auch diese verteufelt. Dass Johannes Paul II. da anders dachte und handelte ist schon wieder Geschichte, denn schon der nächste Papst, Benedikt der XVI., dachte schon wieder anders, d.h. rückwärtsgewandt. Und der jetzige Papst, bekanntlich ein Südamerikaner, befürwortet schon mal das Strafen der Kinder durch Schläge, natürlich mit Bedacht und nur auf den Popo. Auch das ist rückwärtsgewandt.
Eule hat geschrieben:Wenn wir uns die Frage nach dem Unterschied zwischen den Begriffen "FreiKörperKultur" und "Freie Körper Kultur" stellen und hierzu die Frage der Stellung der kath. Kirche eruieren, dann ist eine einheitliche Antwort aus der deutschen Bischofskonferenz zurzeit noch nicht möglich. Auch wenn es kein offizielles Verbot oder Gebot über die Nacktheit als solches gibt, so wird diese Frage im Bezug zur "FreiKörperKultur" sehr schwach und fragend positiv ausfallen.
Du sagst es.
Eule hat geschrieben:Wenn du mir jetzt vorhalten würdest, dass die kath. Amtskirche eine Bejahung des Körpers verbunden mit einer Bejahung der Nacktheit als solches nicht eindeutig vornimmt, sondern in ihren Äußerungen eher das Gegenteil verkündest, so müsste ich dieses bestätigen, aber gleichzeitig darauf hinweisen, dass diese Negation des Körperlichen durch die kath. Theologen nicht durchgängig mitgetragen wird. Hier muss ich also um Geduld bitten, auch wenn es wenig wahrscheinlich ist, dass ich diese deutliche Bejahung des Körperlichen inclusive der Nacktheit als solches durch die Amtskirche nicht mehr erleben werde.
Du sagst es.
Eule hat geschrieben:Wir müssen die Abkehr von dem Konzilsgedanken und der Freiheit, welches Johannes XXIII anstrebte durch Paul VI. und hier insbesondere Johannes Paul II. erst vollziehen, bevor der große Schritt nach vorne kommt. Aber die Zeichen stehen jetzt dafür, wenngleich auch noch sehr schwach und zaghaft.
Nein, durch Benedikt XVI. und Franziskus sind 2 Päpste an die Macht gekommen, die zwar viel reden, aber wenig beweg(t)en. Die Traditionalisten haben das Sagen im Vatikan, dies auch, weil die Kirchenmusik nicht mehr in Europa, sondern auf anderen Kontinenten spielt.
Eule hat geschrieben:Entschuldige, ich weiß jetzt wirklich nicht, ob die "Maria-Ward-Schulen" Schulen einer bestimmten Denkhaltung und Richtung innerhalb der kath. Kirche sind und wer dahinter steht.
Gut, hier ein
Auszug aus dem Pädagogisches Grundkonzept derjenigen Schule, von der ich in einem der früheren Postings schrieb:
Pädagogisches Grundkonzept der Erzbischöflichen Schulen
Fundament des pädagogischen Konzepts der Erzbischöflichen Schulen ist das christliche Gottes- und Menschenbild mit seinem Verständnis vom Menschen als Geschöpf Gottes und von Mitmenschen als Nächste.
(…)
Wir sehen jede Schülerin, jeden Schüler als einzigartigen Menschen, von Gott als sein Ebenbild geschaffen, mit Talenten und Begabungen ausgestattet, auch mit Schwächen, einmalig und von Gott gewollt.Eule hat geschrieben:Und eine Nachfrage, ohne diese sofort mit einer bewertenden Kritik zu verbinden, ist durchaus berechtigt. In diesem Sinne habe ich dich aufgefordert oder angeregt, dich an das Generalvikariat zu wenden.
Sei dir versichert: Erzbischöflichen Schulen dürfen nur das lehren, was der Bischof bzw. Generalvikariat erlauben.
Zusammenfassung: Die katholische Kirche geht - wie die gesamte Gesellschaft - in Sachen Moral wieder dorthin zurück, woher sie gekommen ist: In die 1950er Jahre oder noch weiter zurück. Leider.