http://www.shz.de/lokales/landeszeitung/osterroenfelds-nackt-phantom-gefasst-id13047466.htmlSo lautet die Ausgangsmeldung, die am Wochenende online und im Printmedium veröffentlich worden ist. Einerseits sind wiederholte nackte Unternehmungen im offenbar besiedelten Gewerbegebiet trotz zwischenzeitlicher Zeitungsmeldungen sicherlich bescheuert und könnten diese tatsächlich mal ausnahmsweise einen Anwendungsfall des § 118 OWiG darstellen. Wasser auf die Mühlen all derer, die nackte Unternehmungen für den Untergang des Abendlandes halten. Andererseits weist der Artikel offenkundig ganz erhebliche Mängel auf, insbesondere: Der "Täter" wurde lediglich ermittelt, aber nicht "gefasst". Die benannte Vorschrift ("Erregung öffentlichen Ärgernisses", § 183a StGB) könnte (Nicht muss! Einzelfallabhängigkeit) falsch sein. Nacktwanderer müssen sich nicht durch staatliche Organe auf "FKK-Camps" verweisen lassen.
Es handelt sich um eine klassische Meldung, die dann bundesweit Berücksichtigung in Zeitungen findet, wenn nicht gerade wieder ein betrunkener Einbrecher im falschen Bett eingeschlafen ist oder eine Würgeschlange im Klo einer alten Dame aufgetaucht ist. Möglicherweise haben hier (nachvollziehbar) etwas genervte und möglicherweise zudem jedenfalls prüde eingestellte örtliche Ermittlungsbeamte aus der Sicht ihres Alltages mal etwas "ganz, ganz Lustiges" erlebt, worüber sogleich dankbar berichtet worden ist.
Die Facebook - Kommentare der Leserschaft sind allerdings ziemlich eindeutig, Haupttenor: Gähn! Wen interessiert, wen kümmert das?
Gleichwohl ist wie folgt an den schreibenden Redakteur, die Redaktion und die Polizeidienststelle geschrieben worden. Eine Antwort liegt noch nicht vor.
Sehr geehrte Damen und Herren,
leider hatte ich am Wochenende einen Anlass, mich über die Berichterstattung der Landeszeitung und die polizeiliche Pressearbeit zu ärgern. Grund hierfür ist ein Artikel vom 19.03.2016 darüber, dass in Osterrönfeld ein "Nackt-Phantom" gefasst worden sei.
Vorab: Die konkreten Fälle sind mir nicht bekannt. Ich beziehe mich lediglich auf die Presseveröffentlichungen, die mir sicherlich auch nur auszugsweise und nicht umfänglich bekannt sind. Indes: Wer abends nackt durch ein Gewerbegebiet läuft und auf fremde Grundstücke hüpft, der hat sicherlich persönliche und nun zu recht bald auch juristische Probleme. Hier gibt es nichts zu beschönigen, so dass auch die Verunsicherung in der Bürgerschaft und die polizeiliche Ermittlungsarbeit gut nachzuvollziehen sind.
In seiner Allgemeinheit ist der Presseartikel mitsamt des Zitates des Polizeisprechers allerdings fehlerhaft.
Zunächst, nur am Rande, ist die betreffende Person sicherlich ermittelt, aber nicht "gefasst" worden. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass kein Haftgrund gegeben ist, zudem eine erhebliche Anlasstat fehlt und deshalb auch kein Haftbefehl etc. vorliegt.
Weiter, ebenfalls am Rande: Bereits nach der Sachverhaltsdarstellung kommt ein Verfahren - wie es in der Pressemitteilung hingegen für wahrscheinlich gehalten wird - wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, also nach § 183a StGB, wohl kaum in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre nämlich ein vorsätzliches sexuell motiviertes Handeln. Ein solches dürfte hier jedoch gerade nicht nachzuweisen sein. Möglicherweise könnte die mir unbekannte Person lediglich ordnungswidrig gemäß § 118 OWiG gehandelt haben. Insoweit kommt es indes auf die konkreten Einzelfallumstände an, die mir, wie bereits ausgeführt, nicht bekannt sind.
Grob fehlerhaft jedoch, und nun zum Kern, ist die Einschätzung des Polizeisprechers, dass - sinngemäß - von unbekleideten Spaziergängen Abstand zu nehmen sei, denn hierfür gäbe es schließlich FKK-Camps. Hierzu ist richtig zu stellen, dass unbekleidete Spaziergänge grundsätzlich nicht ahndungswürdig sind und niemand insoweit von staatlicher Seite öffentlich auf "FKK-Camps" (Was bitte ist das und wo ist ggfs. das nächste?) zu verweisen ist. Diese Meldung ist allenfalls dazu geeignet, die Öffentlichkeit falsch zu unterrichten, Vorurteile zu schüren bzw. zu bestätigen, sich redlich verhaltende Bürger zu diffamieren und Ängste bzw. Verunsicherung zu schüren.
Tatsächlich unterfallen textilfreie Spaziergänge nämlich allenfalls und nur unter bestimmten Umständen dem vorab bereits benannten § 118 OWiG. Hiernach kommt es maßgeblich auf die Wahl der entsprechenden Örtlichkeit und die innere Einstellung an. Um es kurz auf den Punkt zu bringen: Wer allein oder in einer Gruppe, als Mann oder als Frau, in abgeschiedener Natur nach sorgfältiger Auswahl einer Strecke möglichst ohne Kontakt zu anderen Menschen textilfrei wandert oder spaziert, der handelt (und zwar schon gar nicht vorsätzlich) nicht grob ungehörig und nicht in einer Art und Weise, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und (!) zudem die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Hieran können eventuelle Begegnungen mit anderen Person rechtlich nichts ändern. Ich verweise auf die juristische Kommentarlitertaur und die jüngere Rechtsprechung. Nähere (teilweise auch rechtlich fundierte) Informationen erhalten Sie beispielsweise auch unter http://www.fkk-freun.de, http://www.nacktwandern.de oder etwa im Buch "Nacktwandern" von Nicole Wunram. Tatsächlich erfreut sich das statthafte textilfreie Wandern oder Spazieren einer zunehmenden Beliebtheit, auch im "echten Norden"; in der Presse finden sich hierzu ebenfalls zahlreiche Artikel, die auch im Internet abrufbar sind.
Insoweit wird durch den Polizeisprecher leider eine offenbar private moralische Wertvorstellung rechtlich fehlerhaft zum Postulat erhoben und in der Bevölkerung, jedenfalls bei den Lesern, ein falsches Bild vermittelt. Dies ist insoweit sehr bedauerlich, als es hierdurch für den Fall etwaiger Begegnungen nun zu Fehleinschätzungen und -handlungen etwaiger Dritter kommen könnte. Tatsächlich begegnen alle mir bekannten Nacktwanderer der Natur und etwaigen Passanten mit großer Wertschätzung, Freundlichkeit und Respekt. Am Rande: Nacktwanderer führen in aller Regel auch keine Hunde ohne Leine durch den Wald und werfen keine Zigarettenkippen weg.
Ich empfehle Ihnen deshalb dringend eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema und ggfs. an geeigneter Stelle eine Richtigstellung bzw. einen aufklärenden Artikel.
Damit kein Zweifel aufkommt: Für den Ausgangsfall dürfte der objektive Tatbestand des § 118 OWiG wohl anzunehmen sein bei möglicherweise bedingtem Vorsatz.