Vor drei Tagen fand ich folgende Illustration zur Auswirkung von Kontaktminderung auf die Infektionszahlen:
Beim Anfang einer Epidemie, wie beim jetzigen Stand in jedem Land, ist die Basisreproduktionszahl R0 noch praktisch identisch mit der effektiven Nettoreproduktionszahl, sie gibt an, wieviele Infizierte ein bereits Infizierter verursacht unter Nichtresistenten, siehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Epidemiol ... ktionszahlBei der obigen Graphik wird die Auswirkung einer Halbierung von R0 von 2.5 auf 1.25 gezeigt. Dabei beendet ein Infizierender nach Anstecken von 2.5 bzw. 1.25 Personen seine Ansteckungsfähigkeit durch Ausheilen oder Sterben, wobei die Zeitangaben von 5 und 30 Tagen nur wichtig sind zum Mitteilen, daß 6 solcher Ansteckungsebenen stattfanden.
Da bin ich natürlich erstmal gestolpert, daß ich nicht mit einem Blick oder in weniger als 2 Minuten verstanden habe, wie die angegebenen Zahlen von 406 bzw. 15 infizierten Personen berechnet wurden, immerhin ein dramatischer Unterschied. Angenommen (von mir) sei, daß für 5% der Fälle intensivmedizinische Betreung nötig ist und das Gesundheitssystem mit den 0.75 der 15 Infizierten in dem Zeitraum der 6 Ansteckungsebenen bei R0=1.25 gerade noch zurechtkommt. Beim Fall von R0=2.5 mit 20.3 der 406 Infizierten bleiben dann nicht 0 Personen für den Bestatter sondern 19 bis 20.
Das Ergebnis kratzt natürlich nur peripher die wegen Kontakteinschränkung Mauligen, die nur ihren Spaß haben wollten in der jetzt geschlossenen Disco, die erinnern mich an die Deppen von 1914, die schnell mal Paris abfackeln wollten des Unterhaltungswertes wegen. Mich aber kratzt dies und ich finde außerdem, es schädigt das Ansehen dieses Forums, daß das Thema an einer Stelle in diesem Thread als "Hysterie" verniedlicht wurde.
Zurück zu den mysteriös erscheinenden Zahlen 406 und 15 in der 6. Infektionsebene im Diagramm. Die dort nur teilweise angegebenen Zahlen der insgesamt Infizierten berechnen sich bei R0=2.5 für die sechs Infektionsebenen "1." bis "6.", die dem nullten bereits vorhandenen Infektionsfall folgen, in ganz expliziter Form derart:
0. 00d: 2.5^0 = 1
1. 05d: 2.5^0+2.5^1 = 3.5
2. 10d: 2.5^0+2.5^1+2.5^2 = 9.75
3. 15d: 2.5^0+2.5^1+2.5^2+2.5^3 = 25.375
4. 20d: 2.5^0+2.5^1+2.5^2+2.5^3+2.5^4 =64.4375
5. 25d: 2.5^0+2.5^1+2.5^2+2.5^3+2.5^4+2.5^5 = 162.09375
6. 30d: 2.5^0+2.5^1+2.5^2+2.5^3+2.5^4+2.5^5+2.5^6 = 406.234375
Erinnert man sich noch an seine frühe Schulzeit, dann erkennt man das als geometrische Reihe, und erinnert man sich, daß es Wikipedia gibt, dann findet man auch dort die ganz leicht nachvollziehbare Herleitung für eine bequeme Formel für die Summe sn der Infektionsfälle in der n-ten Infektionsebene beim Anfangswert a0 und beim Quotienten q (gleich Basisreproduktionszahl R0) aus aufeinanderfolgenden Summanden:
sn = a0*(1-q^(n+1))/(1-q)
https://de.wikipedia.org/wiki/Geometris ... tialsummen (Herleitung der Formel für die Partialsummen)
Da liefert der Taschenrechner die beiden geheimnisvollen Zahlen des Diagramms:
s6,2.50 = 1*(1-2.50^7)/(1-2.50) = 0406.234375 bzw.
s6,1.25 = 1*(1-1.25^7)/(1-1.25) = 0015.073486
Spielt man weiter mit der Formel und verlängert den Zeitraum von 30 auf 40 Tage, d.h. um zwei weitere Infektionsebenen, immer noch weit entfernt vor Einsetzen eines merklichen Beginns von Herdenimmunität, so daß die Basisreproduktionszahl R0 weiter verwendbar ist, dann erhält man für die Zahl der Infizierten:
s8,2.50 = 1*(1-2.50^9)/(1-2.50) = 2542.464844 bzw.
s8,1.25 = 1*(1-1.25^9)/(1-1.25) = 0025.802322
Bei den oben angenommenen 5% Intensivstationsbedürftigen, aber nicht Behandelbaren, ist der Vergleich der Todesfälle rechnerisch derart:
30d, R0=1.25: (0015.073486-15.073486)*0.05 = 000.00 (wegen oben definierter Belastungsgrenze)
40d, R0=1.25: (0025.802322-15.073486)*0.05 = 000.54
30d, R0=2.50: (0406.234375-15.073486)*0.05 = 019.56
40d, R0=2.50: (2542.464844-15.073486)*0.05 = 126.37
Das ist ein völlig vereinfachtes Modell, in dem die der Anschauung halber so genannten Personen als Wahrscheinlichkeiten mit Dezimalbruchstellen zu verstehen sind. Als Anfangswert wird nicht die Zahl von nur einer Person betrachtet, sondern eine, die um etliche Größenordnungen größer ist zum Ausmitteln von Zufallsstreuungen. Fern von der Realität ist zudem die Annahme, daß in der Bevölkerungsgruppe die Basisreproduktionszahl homogen ist und nicht aus wilden Streuungen gemittelt wurde. Diese Zahl ist sicher eher strukturiert wie bei einem Waldbrand mit lokalen und zusätzlich zeitlich unterschiedlich aktiven Brandnestern und noch nicht oder wenig brennenden Bereichen plus ausgebrannten Gebieten für die Nettoreproduktionszahl, da wird es intuitiv mathematisch ungemütlich und bleibt nicht beim Niveau für kleine Schüler.
Mir reicht schon diese halbquantitative Betrachtung, mich von der Notwendigkeit einer längeren Kontaktbeschränkung zu überzeugen wenn man nicht auf medizinisches Eingreifen weitgehend verzichten will und der Natur ihren Lauf lassen will.
Zur zeitlichen Variabilität der Nettoreproduktionszahl (im bisherigen Anfangsstadium noch gleich Basisreproduktionszahl) in verschiedenen Ländern gibt es auch schon Ergebnisse, siehe Fig 3 "Reproduction numbers over time in the six countries with the most cases currently" in:
https://cmmid.github.io/topics/covid19/ ... ssion.html (20200320, Temporal variation in transmission during the COVID-19 outbreak)
Der Ansatz mit der Basisreproduktionszahl 2.5 in der Eingangsgraphik, auf der die angeführten Modellrechnungen basieren, ist demnach ziemlich realistisch.
Diese Reproduktionszahl durch Abstandhalten zu verkleinern ist die einzige Hoffnung, solange es keine Impfung oder Medikamente gibt, falls man nicht auf Herdenimmunität mit zeitlich vermutlich nur mäßiger Wirkung wie bei Schnupfen warten will. Beim natürlichen Fortgang ist laut einer neuen Modellrechnung mit ca. 40 Megatoten zu rechnen, was ich als Hysteriker nicht so besonders schön fände, ungestört davon, daß ich vermutlich damit in Ungnade falle bei den Nicht-Hysterikern hier im Forum, die meinen, auf ein halbes Prozent der Weltbevölkerung könne man gut verzichten. Bei frühem Eingreifen dagegen könne laut dieser Studie die Zahl der Toten bis auf ca. 2 Millionen reduziert werden:
Imperial College London, 20200326, hat geschrieben: ... According to the unmitigated scenario, if left unchecked the virus could have infected 7 billion people and caused in the region of 40 million deaths this year. Social distancing to reduce the rate of social contacts by 40 per cent, coupled with a 60 per cent reduction in social contacts among the elderly population (at highest risk) could reduce this burden by around half. ... If all countries were to adopt this strategy at 0.2 deaths per 100,000 population per week, 95 per cent of the deaths could be averted, saving 38.7 million lives. However, if this strategy is adopted later (1.6 deaths per 100,000 population per week), then this figure drops to 30.7 million. ... The full report ‘The Global Impact of COVID-19 and Strategies for Mitigation and Suppression’ is available on the MRC GIDA report website.
https://www.imperial.ac.uk/news/196496/ ... caused-40/