Infiziert sich ein Mensch mit Corona, wird das, wenn Symptome vorhanden sind, nach 3 Tagen erkannt, sonst überhaupt nicht. Im Gegensatz dazu, kann man aus dem Abwasser einer Gemeinde binnen 2 Tagen erkennen, wie es deren Bewohnern gesundheitlich geht -
Zitat (leider hinter Bezahlschranke):
100 Milliliter Abwasser. Es verrät, wie viel Chilisauce sich die Leute über ihr Essen gekippt, wie viel Koks sie gezogen haben, welche Medikamente sie einwerfen, und vor allem, wie viele sich zuletzt wieder mit dem Coronavirus angesteckt haben.
100 Milliliter Vergangenheit. Der Professor wird damit in die Zukunft schauen.
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Schließlich sammelten sie dort, wo das Abwasser der Stadtbewohner ankommt: in den Kläranlagen. Und sie fanden das Virus.
Genauer gesagt das, was von Sars-CoV-2 dann noch übrig ist: das Kapsid, die Proteinhülle, in der die genetischen Baupläne hinterlegt sind.
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Hat das Virus Pech, treibt es durch eine Großstadt und ist zehn, fünfzehn Kilometer unterwegs. Bei seiner Ankunft im Klärwerk dürfte es reichlich ramponiert sein. Das Genom aber, die RNA, ist intakt.
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Das Abwasser erzählt, wovon die Menschen noch nichts ahnen. In Israel haben sie das 2013 und 2014 gemerkt. Damals kündete sich in der Kanalisation ein Polio-Ausbruch an. Weil man rechtzeitig erkannte, dass sich dort auffällig viele Erreger finden, konnte man klinische Fälle verhindern, die Epidemie wurde keine.
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Einmal schossen die Zahlen in Oberteisendorf hoch, von heute auf morgen, sie merkten das an den Proben aus dem Zulauf der Kläranlage. Im Gesundheitsamt sprang die Cluster-Nachverfolgung an, Drewes schickte einen zusätzlichen Probenehmer ins Feld, ließ noch mehr Wasser sammeln. Am Ende hatte das Abwasser sie in eine konkrete Nachbarschaft geführt. Ein Straßenfest, die Anwohner hatten zusammen gefeiert, zack, alle infiziert.
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Das Abwasser ist objektiv. „Weil jeder aufs Klo muss. Unabhängig vom Einkommen, unabhängig von der Wohnlage. Wenn Sie infiziert sind und wohnen in einer fancy Villa, werden Sie genauso erfasst wie jemand, der im zwölften Stock eines Wohnblocks wohnt.“
Im Kampf gegen das Virus ist das Abwasser immer gefechtsklar. Es braucht nicht die Freiwilligkeit einer Testperson und keine Datenschutzbestimmung. Es gibt immer nur Auskunft, auch dann, wenn Teststationen abgebaut werden, die Leute sich weniger testen lassen, weil Sommer und warm und egal.Noch ist das ein Projekt eines einzelnen, der 16 Jahren in den USA verbracht habe, wo man an die Verwirklichung einer Idee geht, ohne groß darüber nachzudenken, ob man auch scheitern könnte. Hierzulande haben wir eine Bürokratie, die erstmal überwunden gehört. Es geht nicht nur darum, dass die Förderung des Projekts nach Monaten der Prüfung zuerst abgelehnt wurde – um ein Jahr später doch genehmigt zu werden –, sondern auch um Realisierung von EU-Vorgaben.
Beispiel – ein weiteres Zitat:
Anruf beim bayerischen Gesundheitsministerium, wo sich keiner findet, um über die Abwasserüberwachung zu sprechen. Aber ein Ministeriumssprecher lässt ein Statement schicken. Es ist von „großem Interesse“ die Rede, von einem „beispielhaften Projekt“ im Berchtesgadener Land, von vielversprechenden Praxiserfahrungen. Aber über allem steht, schön im ersten Absatz: „Die Empfehlung 2021 / 472 der EU Kommission, in den Mitgliedstaaten sobald wie möglich, spätestens jedoch bis zum 1. Oktober 2021 ein nationales Abwasserüberwachungssystem einzurichten, richtet sich an den Bund. Insofern ist das bayerische Gesundheitsministerium nicht die zuständige Behörde.“Ich bin für Föderalismus, aber bei manchen Sachen – eines davon ist Gesundheit – denke ich, müsste der Bund mehr per Gesetz definierten Kompetenzen haben. Zum Beispiel müsste es möglich sein, die Bundesländer einfach einweisen zu können, was sie zu tun haben. Und das, ohne dass im 14-Tagerhythmus Ministerpräsidentenkonferenzen abgehalten werden müssten, deren Beschlüsse sie oft schon Stunden danach in Frage stellen, um sich als selbständige „Macher“ zu profilieren.