NackeDuDaDei hat geschrieben:Ich bin mir sicher, daß wir ab April letzten Jahres für wenige 100 Millionen Euro mehrere Impfstofffabriken in Deutschland hätten hinstellen können, die dann den ganzen Sommer über die aussichtsreichsten Kandidaten auf Halde produziert hätten. Ich weiß die Zeitpunkte nicht mehr, aber so ab Mai, Juni war klar, daß es erfolgreiche Impfstoffe geben wird, und diese hätte man dann in millionenfachen Dosen produzieren müssen.
So einfach ist das nicht, denn dazu muss man die Methode und nötigen Geräte für die Großproduktion kennen. Aber für welche kannte man sie zu dem Zeitpunkt? Nur für klassische Impfstoffe, für die der Virus auf einer Zellkultur oder in Eiern (sofern er darin gut vermehrt wird) herangezüchtet wird und für die RNA-Vektor-Impfstoffe.
Bei klassischen Impfstoffen wissen wir aber aus der Erfahrung, dass die Entwicklung einige Jahre länger dauert. 6 Jahre war der bisherige Bestwert. Wenn der unterschritten wird, ist es gut, aber von Sanofi gibt es noch keine Zeitangabe der Vorausschätzung. Den wird es jedenfalls in diesem Jahr noch nicht geben.
Beim RNA-Vektor-Impfstoff war zwar bekannt, wie er in größerem Maßstab hergestellt wird, sobald man einen geeigneten Vektor hat, also einen nicht pathogenen Virus, der sich ein Wenig im Menschen vermehren kann, und in den das entscheidende Stück RNA eingepflanzt wurde. Das ist die Methode von Astra-Zeneca. Hätten wir von denen die Herstelllizenz so einfach bekommen für eine Fabrik, die hier irgendwo aufgebaut worden wäre? Hätten wir hier die Fachleute für die Produktion überhaupt gehabt? (Dazu benötigt man ein paar Jahre Erfahrung in einem Betrieb, der damit schon länger arbeitet!) Wäre das der ideale Kandidat gewesen, vor Allem mit dem Problem, dass bei einer Änderung des Virusstammes der Vektor vollkommen neu entwickelt werden muss? Und es war eben weder ein deutscher Hersteller auf dieser Methode aktiv, noch konnte man bei dem im April eine Chance erkennen, dass er so schnell da sein würde, wie der erste mRNA-Impfstoff. Damit war definitiv nicht zu rechnen!
Allen Spezialisten war klar, dass die mRNA-Methode die flexibelste ist, das heißt, man kann in kürzester Zeit (im Verhältnis zu allen anderen Methoden) einen synthetisch hergestellten, den Mutationen angepassten, veränderten mRNA-Strang einsetzen und vervielfältigen. Damit hat der die größten Chancen für dauerhaften Erfolg, auch bei weiteren Mutationen. Es war eigentlich eindeutig, dass damit am schnellsten der Erfolg erreichbar sein musste, weil die mRNA synthetisch hergestellt wird und keine Viruskultur im Bioreaktor erforderlich ist, wie bei allen anderen Methoden. (Bei denen muss die geeignete Kulturmethode selbst ja erst erforscht werden, was viel Zeit dauert!)
Nur es fehlte noch die Erfahrung, in welcher Formulierung er am besten in die Zellen gebracht wird, ohne zu früh aus seiner "Verpackung" (den Nanotröpfchen) freigesetzt zu werden, weil er nicht wirkt, wenn er freigesetzt wird, bevor er in den Zellen ist, und dann aber, dass die "Verpackung" nicht zu stabil ist, dass er also in der Zelle schnell frei wird und wirken kann. Die Wege der Hersteller sind etwas verschieden und der von BionTech ist ziemlich instabil, so dass er gerade noch in die Zellen aufgenommen wird, dann aber sofort freigesetzt und wirksam ist. Deshalb der starke Kühlbedarf bei der Lagerung und beim Transport.
Um eine größere Fabrik zu bauen, hätte man aber genau das vorher wissen müssen, wie die mRNA am besten formuliert wird. Somit war es überhaupt nicht möglich, an den Bau einer Fabrik zu denken, bevor nicht klar war, welche Formulierung am besten wirkt. Der früheste geeignete Zeitpunkt war der nach dem Erfolg der Phase 3. Zu dem Zeitpunkt hat sich BionTech mit Pfizer zusammengetan um schnell größere Kapazitäten aufzubauen und CureVac geht denselben Weg mit Bayer, und zwar war das auch direkt nach Erfolg in Phase 3. An CureVac hält auch der Bund einen Anteil von rund 20%, hat da also auch investiert, allerdings hauptsächlich, um da den Amerikanern in der Beteiligung zuvor zu kommen. (So ca. die Hälfte an den CureVac-Anteilen hat der SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp). Im März/April hätten viele (so wie ich) auf CureVac gesetzt als die erste Firma, die einen wirksamen Impfstoff hat, aber "manchmal kommt es anders oder als man denkt". Deren Formulierung ist jedenfalls eine andere als die von BionTech und auch der gewählte mRNA-Abschnitt wird sicher nicht derselbe sein. Eine Produktionsanlage für deren Impfstoff muss daher auch anderes aufgebaut werden, als eine für den BionTech-Impfstoff.
Also: langer Rede kurzer Sinn: Es war definitiv nicht möglich, ab April Impfstofffabriken aufzubauen, bei denen die Wahrscheinlichkeit größer als ein Promille gewesen wäre, dass sie am Ende für die Produktion der wirksamen Impfstoffe auch geeignet gewesen wären.
Nachtrag: Den Beitrag von Aria sehe ich eben erst nach Absenden meines Beitrags (mein PC hatte fast eine Stunde mit dem geöffnetem Editierfenster alleingelassen da gestanden). Die Argumente von Aria sind weitgehend andere als meine und auch richtig. Am Ende erwähnt sie den Moderna-Impfstoff, auf den ich nicht eingegangen bin: Dafür gilt genau dassselbe, was ich im Vergleich zwischen BionTech und CureVac geschrieben hatte, nämlich dass jeder eine andere Formulierung wählt und diese sehr entscheidend dafür ist, wie die Fabrik aufgebaut werden muss. Nur die Synthetische Herstellung der mRNA (also des Wirkstoffs) ist noch vergleichbar, der Rest aber nicht.