Eule hat geschrieben:Shiva205
Ein Verbot von Abkürzungen und Symbolen finde ich kontraproduktiv, weil damit der krankhafte Ballast, der dranhängt, eher noch weiter konserviert wird und somit den Heilungsprozess aufhält.
Dieser deiner Meinung kann und will ich nicht beitreten. Wir dürfen unsere Geschichte mit all den Hässlichkeiten und Verbrechen nicht als bewältigt ansehen. Wer aus der Geschichte nichts lernst, der wiederholt diese Fehler.
Ich kann mit solchen Sprüchen wenig anfangen.
Was heißt: aus der Geschichte
lernen?
Wer lernt aus der Geschichte?
Was lernt er aus der Geschichte?
Wenn überhaupt etwas zu lernen ist, dann auf Grund von Erfahrungen. Schließlich geht es bei geschichtlichen Ereignissen nicht um Nachahmungen, die sonst unmittelbare Folge von Lernprozessen sind.
Als ich seinerzeit geboren wurde, war das Nazi"reich" gerade gut 5 Jahre vorbei. Dennoch hab ich davon nur durch Erzählungen, in den ersten Jahren meines Dabei-Seins waren das auch lediglich Andeutungen, erfahren. Später dann, als ich älter war, hab ich viel gehört, in den Jahren meines beginnenden und noch andauernden Erwachsenseins sehr viel dazu gelesen.
Heute hab ich Kinder und Enkel, die im letzteren Fall mehr als 70 Jahre von den Ereignissen des Nazisystems weg sind.
Mehr als 70 Jahre!
Denke ich an mich zurück, dann interessierte mich auch später sehr lange nicht, was um 1880 geschehen war (Moser und Musil wurden geboren, Feuerbach starb). So viel war in der Zwischenzeit passiert, so viel hatte meine Gegenwart beeinflusst, dass ich kaum darauf gekommen wäre, in der Zeit von vor mehr als 70 Jahren irgendetwas zu Lernendes oder gar zu Bewältigendes zu sehen.
Wir sehen, dass dies heute nicht anders ist. Was bedeutet denn denjenigen, die 20 bis 40 Jahre nach mir geboren wurden, die Zeit der (vor)letzten Diktatur in Deutschland? (Übrigens damals einem größeren, weniger bevölkerungsreichen, viel ärmeren Land)
Aber: sie dürfen keine Abkürzungen verwenden, die man missverstehen könnte, weil die Nazidiktatur sie nutzte...
Irgendwie sind wir wohl schon ganz schön stolz, dass wir auch etwas haben, über das die Welt redet - oder reden sollte.
Seit ich einigermaßen meiner selbst bewusst schreiben konnte, kürzte ich meinen Vornamen mit HJ. ab.
Als ich vor Jahren diese Buchstaben zum Bestandteil meines Autokennzeichen machen lassen wollte, wurde mir das verwehrt.
Wenn ich schreibe: "vor Jahren", dann meine ich im Alter von 60! Da wollte ich erstmals in meinem Leben ein nicht dem Zufall geschuldetes Kennzeichen. Mein Sohn hielt mich für senil, denn bisher war ich wohl eher weniger durch
Narzismus aufgefallen.
Jetzt aber wurde mir das Kennzeichen verwehrt, weil man unterstellte, ich wolle durch
Nazismus auffallen...
Meiner Meinung nach, sieht souveräner Umgang mit der Vergangenheit der Vorfahren (und nur darum geht es!) anders aus.
Einigen jungen Menschen unseres Landes scheint es sogar Spaß zu machen, durch Gebrauch der verpönten Gesten und Symbole Randale zu verursachen, Polizei zu provozieren und Mitmenschen zu verunsichern.
Ich bin mir nicht sicher, vermute aber, dass gerade WEIL Nazigruß und -symbolik wie das Tuch beim bis auf Blut gereizten Stier noch immer den Mächtigen zu blinder Wut anstacheln kann, wird dies so "gern" zur Provokation genutzt. Weil man damit also - wieder einmal - ganz deutlich Macht ausüben kann - denn man lockt ja die Etablierten nicht selten aus ihren Häusern - wird genau diese Symbolik verwendet. DAS funktioniert - das sehen wir auch in der Interpretation dieses Werbespots...