Tim007 hat geschrieben:Vielleicht wird es als Freiheit empfunden, wenn man sich des Schamgefühls entledigt. Ausschließen kann ich das nicht.
Der Gedanke ist zwar nicht ganz abwegig, denn man könnte sich ja damit von der Scham befreit haben, aber dagegen steht: Wenn ich mich am offiziellen FKK-Strand ausziehe, wo es wirklich alle tun, erlebe ich auch dieses Freiheitsgefühl. Da kann es doch nicht mehr eine Befreiung von dem Schamgefühl sein. Vielleicht noch für FKK-Anfänger, die auch da noch Schamgefühle haben, aber nicht mehr nach Gewöhnung. Da gibt es das Schamgefühl meiner Meinung nach überhaupt nicht mehr, weil auch niemand "schräg" schaut, da ja alle nackt sind. Gerade das ist doch von einigen hier immer das eingebrachte Argument gegen CO, wobei ich allerdings die Erfahrung habe, dass mit dem nächsten Schritt der Gewöhnung auch im CO-Bereich das Schamgefühl vollständig verschwindet, denn dort darf man ohne Einschränkung nackt sein, auch wenn es nicht alle sind.
Komisch ist nur, dass dieses Gefühl dann wieder eintritt (nicht nur bei mir, wie hier bestätigt wurde), wenn man im Ruhebereich der Sauna sich als einziger nicht das Handtuch umhängt oder mindestens das Handtuch vor die Hüfte hält. Da hat man eben das Gefühl, als einziger es anders zu machen, also aus der Rolle zu fallen, und man beobachtet dann schon wieder, ob andere zu einem hin schauen (was man ja am FKK-Strand meistens gar nicht mehr registriert).
Mark11 hat geschrieben:... unter welchem Grundgefühl würde man Schamgefühle sortieren? und noch wichtiger welches Bedürfnis steckt hinter Schamgefühle?
Darüber hatten wir vor längerer Zeit sehr kontrovers diskutiert. Da hatte ich einige Aspekte aus der Verhaltensforschung eingebracht, die meiner Meinung nach sehr interessant in dem Zusammenhang sind, aber viele hier im Forum haben über die wissenschaftlich formulierten Beiträge (die kamen auch von 2-3 anderen Usern) sehr heftig geschimpft. Zumindest in dem einen Punkt waren wir damals wohl einig, nämlich dass es im Grunde ein Schuldgefühl ist. Es tritt bei Kindern auf, wenn sie etwas getan haben, was sie nicht dürfen. Es wird auch bei Hunden klar so beobachtet.
Scham tritt aber auch auf, wenn man in irgend einem Punkt "anders" ist, als die Norm und bekannt ist die Scham für Armut. Bei letzterem passt es auch zum Schuldgefühl, nämlich die Schuld, versagt zu haben und nichts besseres erreicht zu haben. Wer bewusst arm (oder als Einsiedler) lebt, hat dafür kein Schamgefühl! Da Schuld nur möglich ist, wenn Fehler definiert oder gesellschaftlich geprägt werden, wird auch weitgehend die Meinung vertreten, dass Scham nur als unspezifisches Gefühl angeboren ist, während die Sache, auf die sie sich bezieht, erzieherisch oder gesellschaftlich gelernt ist. (Wir hatten damals auch davon abweichende veröffentlichte Meinungen diskutiert - das nur als Hinweis, dass es diese gibt, wobei die Argumentation dafür schwer nachvollziehbar ist.)
Was jetzt meiner Meinung nach ein Punkt ist, der schwer zu verstehen ist, und in der Psychologie durchaus intensiv untersucht wurde: Warum ist es so schwer, eine Scham abzulegen, wenn man mit dem Verstand gelernt hat, dass die Sache, auf die sich die Scham bezieht, dafür kein Grund sein muss? (Zumindest nicht in dem Umfeld, in dem man sich gerade befindet). Logisch wäre doch, die Nacktscham würde sofort herabfallen, wenn man in die Sauna oder an einen FKK-Strand geht, wo alle oder viele nackt sind. Warum bleibt sie dennoch - bei manchen stärker und bei manchen weniger? Da spielt die Prägung in jungen Jahren eine extrem große Rolle. Was eingeprägt ist in unseren Schädel, bekommen wir nicht so leicht heraus. Das ist im Prinzip das Problem - aber warum, ist damit ja nicht erklärt.