Und dann auch wenige Sätze zum Begriff der Toleranz wie ich ihn verstehe:
Überlegungen zur Toleranz als Bedingung der Freiheit
im Zusammenhang mit redlicher Nacktheit
(Unter redlicher Nacktheit soll im Weiteren die rechtlich erlaubte,
sozialadäquate Nacktheit im öffentlichen Raum verstanden sein.)
Unser kulturelles Selbstverständnis hat als wesentliche Basis u. A. den
Artikel 2 des Grundgesetzes:
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Freie Entfaltung der Persönlichkeit eines jeden heißt im Ergebnis eine hochdifferenzierte Gesellschaft hinsichtlich der praktizierten Lebensart der einzelnen Bürger. Also eine offene Gesellschaft im Sinne von Karl R. Popper. Eine Gesellschaft dieser Art – gemäß Grundgesetz – entwickelt sich nur unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur Toleranz eines jeden Bürgers. Sie zeigt sich als Norm des Grundgesetzes, wenn auch nicht ausdrücklich formuliert, neben dem eigenem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, andersartige Lebensarten zu tolerieren; zu dulden oder sie zustimmend zu akzeptieren. Diese wechselseitige Beziehung zwischen der Möglichkeit, der eigenen freien Gestaltung der Lebensart und der Toleranz anderen Lebensformen gegenüber, muss als Maß hoher Freiheit gesehen und begrüßt werden. Die Pflicht zur Toleranz ist also unbedingt mit Freude und nicht als Behinderung zu verstehen. Es erinnert an den zu schreibenden Aufsatz „Die Freuden der Pflicht“ aus dem Buch „DEUTSCHSTUNDE“ von Siegfried Lenz. Ohne Toleranz der anderen Bürger lässt sich die gewollte, eigene Freiheit – die ganz subjektiv bestimmte eigene Lebensform - nicht leben.
Toleranz – im Gegensatz zur Akzeptanz anderer als der eigenen Lebensform - ist zu verstehen als das Hinnehmen oder Gewährenlassen von individuell und subjektiv nichtakzeptierten Verhaltensweisen (Moralvorstellungen), die aber rechtlich erlaubt sind. Was rechtlich nicht erlaubt ist, darf weder akzeptiert (gutgeheißen) noch toleriert werden. Toleranz in diesem Sinn versteht sich damit als grundgesetzliche Pflicht in einer offenen – im Sinn einer hoch differenzierten - Gesellschaft, wie Sie sich Deutschland mit dem Grundgesetz gegeben hat und über die Jahre immer mehr realisiert.